Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den

Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den
Ein Rückblick in die Entstehungsphase der "Commedia sexy all'italiana"

Freitag, 5. April 2013

La banda del trucido (Die Gangster-Akademie) 1977 Stelvio Massi


Inhalt: Commissario Ghini (Luc Merenda) wird zu einem Überfall mit Geiselnahme gerufen. Er lässt sich von den drängenden Banditen nicht ablenken, sondern bereitet in Ruhe die Befreiung vor, die ihm ohne Opfer unter den Geiseln gelingt. Nur die Verbrecher kommen nicht unbeschadet davon, aus Ghinis Sicht eher die Ausnahme. Denn während Gangsterbosse wie Belli (Elio Zamato) oder Lanza (Franco Citti) offensichtlich etwas Größeres vorbereiten, kommt Ghinis kleine Einsatztruppe kaum hinterher.

Währenddessen hat Sergio Marazzi, genannt “Monnezza“ (Tomas Milian), ganz andere Probleme. Ein wohlhabendes mailändisches Paar hat sich in sein Restaurant verirrt und kommt mit den hier herrschenden rüden Umgangsformen nicht zurecht. Während seine Freundin ihm kaum eine Pause gönnt, versucht er ein Gespräch mit einem alten Bekannten zu führen, der ihn um Hilfe bittet. Er braucht einen Fahrer für einen Job, aber Monnezza hat Bedenken, da er gegen Gewalt ist. Erst als ihm versprochen wird, dass dabei keine Waffen eingesetzt werden, macht er einen Vorschlag, ohne zu ahnen, was er damit auslöst…


Mit "Squadra volante" (Die gnadenlose Jagd, 1974) hatten Regisseur Stelvio Massi und Tomas Milian schon gemeinsam einen frühen Poliziesco gedreht, aber während der Hochphase des Genres waren sie getrennte Wege gegangen. Massi, der zuvor viele Jahre als Kameramann im Italo-Western-Genre mitgewirkt hatte, wurde danach ebenso zu einem führenden Vertreter des "Polizieschi all'italiana" ("Mark il poliziotto" - Trilogie) wie Tomas Milian, aber ihre einzige weitere Begegnung sollte in "La banda del trucido" (Die Gangster-Akademie) stattfinden, als das Genre seinen Zenit schon überschritten hatte. Vergleichbar verlief die Karriere des französischen Darstellers Luc Merenda, der erstmals 1973 in "Milano trema - la polizia vuole giustizia" unter Sergio Martino als Commissario aktiv wurde, danach noch mehrfach den kompromisslosen Gesetzeshüter gab und ebenfalls schon mit Stelvio Massi  in "Il conto è chiuso" (In den Klauen der Mafia, 1976) zusammengearbeitet hatte.

Damit waren ähnliche Voraussetzungen geschaffen wie bei der Entstehung von "Il trucido e lo sbirro" (Das Schlitzohr und der Bulle, 1976), dessen Erfolg die Produzenten mit "La banda del trucido" wiederholen wollten. Mit Stelvio Massi war ein im Genre erfahrener Regisseur mit an Bord, Luc Merenda übernahm die Rolle des Commissario von Claudio Cassinelli und als Bösewicht ("Trucido") wirkte diesmal Elio Zamoto, ebenfalls ein renommierter Darsteller zwiespältiger Persönlichkeiten ("Perche si uccide un magistrato?" (Warum musste Staatsanwalt Traini sterben?)). Entscheidend für das Gelingen war aber die Figur des Sergio Marazzi, genannt "Monnezza", eines römischen Kleinganoven mit großer Klappe und goldenem Herzen, die Tomas Milian in "Il trucido e lo sbirro" entwickelt hatte und die viele Jahre sein Markenzeichen bleiben sollte. Konkret spielte er den "Monnezza" nur noch einmal in "La banda del gobbo" (Die Kröte, 1978), aber Milian variierte seinen anarchistischen Wuschelkopf auch als Nico Giraldi in seiner Superbullen-Reihe, die er ebenfalls 1976 mit "Squadra antiscippo" (Der Superbulle mit der Strickmütze) startete.

An einem homogenen Lebenslauf des "Monnezza" war Milian nicht interessiert, nur an dessen charakteristischen Eigenschaften. Er selbst war für die Dialoge dieser Figur verantwortlich, auch wenn er als Argentinier synchronisiert werden musste, um "Monnezza" dessen typischen römischen Dialekt verleihen zu können. Aus dem Einzelgänger mit guten Kontakten in "Il trucido e lo sbirro" wurde hier ein Restaurantbesitzer mit Freundin und kleinem Sohn, der in seinem römischen Viertel hohes Ansehen und Einfluss genießt. Der Gaunerei hat er noch nicht ganz abgeschworen, weshalb er eine kleine Akademie für Trickbetrüger betreibt, die selbstverständlich gewaltlos vorgehen.

Diese Gestaltung war signifikant für die Entwicklung des "Poliziesco" in eine immer humorvollere Richtung. War "Monnezza" in "Il trucido e lo sbirro" noch ein eigenwilliger Typ mit lockeren Sprüchen, der sich aber ernsthaft für die Verfolgung einer brutalen Gangsterbande an der Seite des Commissario einsetzte, spürte man in "La banda del trucido" schon die Nähe zur komödiantisch angelegten Figur des Nico Giraldi der "Superbullen"-Filme. Der größere Unterschied zum Vorgängerfilm lag aber darin, dass die ernsthafte Handlung um Commissario Ghini (Luc Merenda) und die Kapriolen von "Monnezza" nur lose verzahnt wurden und der Film in zwei sehr unterschiedliche Handlungsstränge zerfiel. Während Ghini noch den klassischen Hard-Liner gibt, der auf den römischen Straßen aufräumt und es neben dem Oberschurken Belli (Elio Zamuto) noch mit einigen anderen Gangstern zu tun bekommt, sieht man "Monnezza" hauptsächlich in seinem Restaurant, wo er es mit Mailänder Kundschaft, seiner dicken Freundin, die zum Film will, und seinem kleinen Sohn, den er ständig auf dem Rücken herum trägt, aufnehmen muss. Auch die Szenen um die "Gangster-Akademie" haben eher Ulk-Charakter, denn seine Schüler erweisen sich ausschließlich als Volltrottel.

Dass es überhaupt zu einer Berührung zwischen diesen Handlungssträngen kommt, wirkt etwas konstruiert, wie selbst der erfahrene Drehbuchautor Sacchetti zugab, der auch für "Il trucido e lo sbirro" verantwortlich war. "Monnezza" empfiehlt einen Freund als Fahrer des Fluchtfahrzeuges für einen Belli-Coup, nachdem man ihm versprochen hatte, das sie ohne Waffen vorgehen wollen. Dass man Belli nicht trauen konnte, hätte gerade "Monnezza" wissen sollen, weshalb er sich nach dem Tod seines Freundes gezwungen sieht, die Polizeiverfolgung durch Commissario Ghini dezent zu unterstützen. Diese kurzen Szenen sind nicht von wesentlicher Bedeutung für die Beurteilung eines Films, der einerseits höchst abwechslungsreich ist, andererseits einen uneinheitlichen Charakter vermittelt im ständigen Wechsel zwischen hartem Kriminalfilm und Komödie.

Der deutsche Verleih traf eine entsprechende Entscheidung, indem er mehr als 10 Minuten der Handlung herausschnitt, die ausschließlich zu Lasten der Rolle des "Monnezza" ging, um damit den Poliziesco-Charakter stärker zu betonen. Den Film gleichzeitig "Gangster-Akademie" zu nennen, womit Tomas Milians Rolle wieder heraus gestellt wird, ist allerdings inkonsequent. Letztlich bleibt das Urteil über "La banda del trucido" eine Frage des persönlichen Geschmacks. Die Handlung um den Commissario ist schnell geschnitten und mit ordentlich Action verzahnt, ihr fehlt allerdings jede innovative Note, während Tomas Milian als "Monnezza" hier wie gewohnt eine gute Show abliefert - wer ihn liebt, wird auch den Film in seiner vollständigen Fassung mögen.

"La banda del trucido" Italien 1977, Regie: Stelvio Massi, Drehbuch: Elisa Brigante, Fulvio GiccaDarsteller : Tomas Milian, Luc Merenda, Elio Zamuto, Franco Citti, Nicoletta Piersanti, Laufzeit : 95 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Stelvio Massi:

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Der Name "L'amore in città" bezieht sich auf einen Episoden Film aus dem Jahr 1953, der erstmals Regisseure in Italien dazu brachte, ihre extra dafür geschriebenen und gedrehten Kurzfilme zu einem Gesamtwerk zu vereinen. Der Episodenfilm steht symbolisch für eine lange, sehr kreative Phase im italienischen Film, die in vielerlei Hinsicht stilbildend für die Kunstform Film wurde. Die intensive Genre-übergreifende Zusammenarbeit unter den Filmschaffenden war eine wesentliche Grundlage dafür.