Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den

Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den
Ein Rückblick in die Entstehungsphase der "Commedia sexy all'italiana"

Freitag, 30. Mai 2014

Zombi 2 (Woodoo - die Schreckensinsel der Zombies) 1979 Lucio Fulci

Inhalt: Menard (Richard Johnson) richtet seinen Revolver auf einen mit einem Sack verhüllten Körper, der sich langsam aufrichtet, und schießt in dessen Kopf. Eine Szene, deren Sinn sich noch nicht erschließt, als ein führerlos treibendes Schiff vor der Kulisse Manhattans im Hafen treibt. Zwei Polizisten wollen nach dem Rechten sehen und gehen an Bord der verwahrlost und menschenleer wirkenden Yacht. Ob es sich um ein menschliches Wesen handelt, das einen der beiden Männer plötzlich anfällt, bleibt ungewiss, denn es fällt getroffen von den Schüssen seines Partners ins Wasser und verschwindet.

Die Polizei steht vor einem Rätsel. Während der tote Polizist obduziert wird, begegnen sich Anne (Tisa Ferrow) und der Reporter West (Ian Mc Culloch) auf dem Schiff, wo sie aus unterschiedlichen Gründen Nachforschungen treiben. Anne ist die Tochter des verschwundenen Besitzers und will mehr über das Schicksal ihres Vaters erfahren und West wittert eine Story. Sie beschließen zusammen zu der karibischen Insel zu fahren, wo sich Annes Vater zuletzt aufhielt…


Die erst kurze Szene des Films könnte noch aus Lucio Fulcis zuvor gedrehten Film, dem späten Italo-Western "Sella d'argento" (Silbersattel, 1978), stammen. Ein Revolver richtet sich direkt auf die Kamera und wird abgedrückt. Die Kugel trifft den Kopf eines in einen Sack gehüllten, sich aufrichtenden Körpers bis kurz darauf das Gehirn aus der durch den Schuss erzeugten Öffnung tritt - offensichtlich handelt es sich doch um keinen Western, sondern um etwas vollständig Neuartiges?

Der Originaltitel "Zombi 2" scheint dem zu widersprechen, denn Fulci spielte damit auf den im Jahr zuvor unter italienischer Mitwirkung herausgekommenen US-Film "Dawn of the Dead" (Zombie, 1978) von George A. Romero an, der die Thematik seines 10 Jahre zuvor gedrehten Zombie-Streifens "Night of the living dead" (Die Nacht der lebenden Toten, USA 1968) wieder aufgriff und das Genre damit gesellschaftsfähig machte. Trotz dieser Referenz an Romero bedeutete "Zombi 2" (Woodoo - Die Schreckeninsel der Zombies) für den nach 33 Filmen in zwanzig Jahren sehr erfahrenen Regisseur Lucio Fulci eine Neuausrichtung seines Filmschaffens, mit dem er auch das Horror-Genre im italienischen Film maßgeblich beeinflusste. Dieser inhaltliche Sprung steht beispielhaft für die Veränderungen in der italienischen Filmindustrie der späten 70er Jahre, die - um die zurückgehenden Zuschauerzahlen zu kompensieren - vermehrt erfolgreichen US-Produktionen nacheiferte, diese aber mit expliziteren Gewaltdarstellungen noch übertreffen wollte (siehe "Das italienische Kino frisst sich selbst").

Lucio Fulci himself als Chefredakteur
Der Wandel ist weniger an der Konzentration auf den Horror- und Splatterfilm festzustellen - Lucio Fulci hatte sich schon immer unterschiedlichen Genres gewidmet und zuletzt neben Western auch Gialli ("Sette note in nero" 1977) und Komödien ("La pretora" 1976) gedreht - als an den veränderten Produktionsbedingungen. Arbeitete er zuvor mit Giuliano Gemma, Gabriele Ferzetti, Edwige Fenech oder Fabio Testi und Tomas Milian ("I quattro dell'apocalisse" (Verdammt zu leben - verdammt zu sterben!, 1975)) zusammen, die damals zu den populärsten Schauspielern in Italien gehörten, besetzte er in "Zombi 2" mit den US-Amerikanern Tisa Farrow, Schwester der berühmten Mia, und Ian McCulloch, sowie dem Briten Richard Johnson unbekannte TV- oder Nebendarsteller in den tragenden Rollen. Signifikant für den damaligen Versuch im italienischen Kino, sich einen internationalen Anstrich geben zu wollen, der aber über die niedrigen Geldmittel im Vergleich zu den US-Produktionen nicht hinwegtäuschen konnte.

Mit Ugo Tucci gehörte zwar ein erfahrener Mann zur Produzenten-Crew, der zuvor schon mit der Autorin Elisa Briganti, dem Co-Produzenten Gianfranco Couyoumdjian und dem Musiker Giorgio Cascio bei "La banda del trucido" (Die Gangster-Akademie, 1977) zusammengearbeitet hatte, aber von Fulcis früheren Mitstreitern blieben nur Kameramann Sergio Salvati und Filmkomponist Fabio Frizzi an seiner Seite, die auch prägend für seine zukünftigen Filme werden sollten und schon der Szenerie in New York zu Beginn  ihren Stempel aufdrückten. Zwei Polizisten betreten eine vor der beeindruckenden Kulisse des "Big Apple" führerlos treibende Yacht und machen Bekanntschaft mit einem unangenehmen Zeitgenossen, der seinen Hunger an ihnen stillen will - eine Parallele zum Kannibalismus-Film im italienischen Kino, der zeitgleich seine kurze Hochphase erlebte. Diese Eingangs-Sequenz vereinte die besten Zutaten des italienischen Genre-Films - treibende Musik, spektakuläre Bilder und gekonnte Horror-Effekte, die den Betrachter sofort mitten ins Geschehen ziehen.

Die Qualität des Beginns konnte Fulci angesichts des ihm zur Verfügung stehenden Budgets erwartungsgemäß nicht halten, weshalb er sich bei der weiteren Handlung auf wenige, überschaubare Orte beschränkte - zuerst ein Schiff, auf dem die Tochter des verschwundenen Besitzers der Yacht, Anne (Tisa Ferrow), und der Reporter West (Ian McCulloch) versuchen zu einer Karibikinsel zu gelangen, auf der sich Annes Vater zuletzt aufgehalten hatte, dann auf der Insel selbst, auf der der Arzt Menard (Richard Johnson) vergeblich gegen eine grassierende Krankheit ankämpft, deren Opfer nur mit einem gezielten Kopfschuss endgültig getötet werden können, denn sonst werden sie auf Grund eines Fluchs wieder zum Leben erweckt. Sie ahnen nicht, dass der vermeintlich totgebissene Polizist von der Yacht, der in New York gerade von Pathologen untersucht wird, ähnliche Lebenszeichen von sich gibt.

Fulci schlug eine Brücke vom klassischen Zombie-Film der 40er Jahre "I walked with a Zombie" (Ich folgte einem Zombie, USA 1943) mit seinen Anspielungen auf Aberglauben und Woodoo-Zauber, über Romeros stilprägenden Werke - die abschließende Szene in der Kirche, in der sich die wenigen Überlebenden vor den unaufhaltsamen Fleischfressern zu verbarrikadieren versuchen, zitiert dessen Filme direkt - hin zum typischen Italo-Horror mit Nacktdarstellungen und handgemachten Splatter-Szenen. Beispielhaft gilt dafür der Holzsplitter, in den das Auge der jungen Ehefrau des Inselarztes, Paola (Olga Karlatos), von penetranten Zombies gezogen wird - eine Entwicklung, die Fulci mit seinen folgenden Filmen "Paura nella città dei morti viventi" (Ein Zombie hing am Glockenseil, 1980), "...E tu vivrai nel terrore! L'aldilà" (Über dem Jenseits, 1981) und "Quella villa accanto al cimitero" (Das Haus an der Friedhofsmauer, 1981) noch bekräftigte.

„Zombi 2“ wurde nicht nur zum Einstieg in ein neues Horror-Film-Zeitalter, sondern verfügt über eine dichte, unheilschwangere Atmosphäre, die ihre Wirkung bis heute nicht verloren hat. Wie im Zombie-Film gewohnt, lassen sich nicht alle Verhaltensmuster logisch nachvollziehen – mal beißen die Infizierten sofort zu, bei wichtigen Protagonisten vergeht noch ein wenig Zeit, um ihnen rechtzeitig eine Kugel in den Kopf zu verpassen – aber entscheidender bleibt die unnachahmliche Mischung aus von poppiger Musik begleitenden Schauwerten und dem immer verzweifelter werdenden Kampf ums nackte Überleben – der Weltuntergang kann kommen!

"Zombi 2" Italien 1979, Regie: Lucio Fulci, Drehbuch: Elisa Briganti, Dardano SacchettiDarsteller : Tisa Ferrow, Ian McCulloch, Richard Johnson, Al Cliver, Auretta Gay, Olga Karlatos, Laufzeit : 87 Minuten

Nächtlicher Überraschungsfilm beim 1. Festival des italienischen Genre-Filmfestivals "Terza Visione" in Nürnberg vom 25. bis 27.04.2014

weitere im Blog besprochene Filme von Lucio Fulci:

Keine Kommentare:

Der Name "L'amore in città" bezieht sich auf einen Episoden Film aus dem Jahr 1953, der erstmals Regisseure in Italien dazu brachte, ihre extra dafür geschriebenen und gedrehten Kurzfilme zu einem Gesamtwerk zu vereinen. Der Episodenfilm steht symbolisch für eine lange, sehr kreative Phase im italienischen Film, die in vielerlei Hinsicht stilbildend für die Kunstform Film wurde. Die intensive Genre-übergreifende Zusammenarbeit unter den Filmschaffenden war eine wesentliche Grundlage dafür.