Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den

Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den
Ein Rückblick in die Entstehungsphase der "Commedia sexy all'italiana"

Freitag, 29. Mai 2015

La colomba non deve volare 1970 Sergio Garrone

Inhalt: Aden, Jemen 1943 – Ein Mann, der sich gerade die Schuhe putzen lässt, wird niedergestochen, zwei weitere auf einer engen Straße brutal mit dem Auto überfahren. Major Harris (William Berger) vom englischen Geheimdienst macht keine Gefangenen und lässt auch alle Anwesenden in einem Gebäude der Stadt erschießen, dass als Geheimversteck feindlicher Agenten diente. Von hier aus sollte unter der Leitung des Spaniers Pablo Vallajo (Horst Buchholz) ein Attentat auf die in Aden stationierte englische Luftwaffe vorbereitet werden. Nur Vallajo, der zufällig abwesend war, gelingt es zu entkommen, aber Major Harris bleibt ihm auf der Spur.

Diese führt zu Anna (Sylva Koscina), eine diplomatische Mitarbeiterin, die im neutralen Bahrein ohne ihr Wissen dem italienischen Geheimdienst als Kontaktperson dient. Über sie soll Pablo an ein Päckchen mit den neuesten Instruktionen gelangen. Pablo kann Anna von seinen Absichten überzeugen und erfährt so, dass er für eine Fliegerstaffel Benzin organisieren und an einen geheimen Ort in die Wüste transportieren soll. Dort soll eine italienische Bomberstaffel unter Leitung von Major Ridolfi (Riccardo Garrone) zwischenlanden und nachtanken, um ihren Angriff fortsetzen zu können. Eine sehr schwierige Aufgabe für Pablo, da ihm Major Harris und seine Leute unmittelbar im Nacken sitzen…


Der Kriegsfilm "La colomba non deve volare" (Die Taube darf nicht fliegen) kam weder in die deutschen Kinos, noch erhielt er eine deutschsprachige Synchronisation oder einen eigenen Verleihtitel - selbst die spätere Vermarktung auf Video blieb aus. An sich nicht ungewöhnlich, trotz der Schwemme an italienischen Action-Filmen, die in den 80er Jahren auf VHS herauskamen, wäre "La colomba non deve volare" keine deutsche Co-Produktion mit Horst Buchholz in der männlichen Hauptrolle. Im Jahr zuvor hatte er noch unter der Regie von Antonio Pietrangeli in "Come, quando, perché" (Wo, wann, mit wem?) gespielt, der im September 1969 auch in Deutschland angelaufen war. Zudem wirkt die Produktions-Beteiligung der Inter-West Film GmbH, die schon Buchholz' Karrierebeginn mit "Die Halbstarken" (1956) und "Endstation Liebe" (1958) begleitet hatte, wie der Versuch eines Neustarts in Deutschland. Nur warum erschien "La colomba non deve volare" dann nicht auch hierzulande?

Buchholz‘ Renommee hatte in den 60er Jahren gelitten, seitdem er es nach seinem letzten rein deutschen Film „Das Totenschiff“ (1959) bis nach Hollywood geschafft hatte, sein Aufstieg danach aber schnell ins Stocken geraten war und er fast ausschließlich in Italien arbeitete. Sergio Garrones fünfter Film nach zuvor vier Italo-Western, von denen drei zeitnah auch in Deutschland einen Verleih fanden, verfügte aber noch über genügend weitere populäre Zutaten. Mit Sylva Koscina, dem Österreicher William Berger und Garrones Bruder Riccardo in weiteren tragenden Rollen, Drehbuchautor Tito Carpi und Kameramann Franco Dello Colli hatte Sergio Garrone eine illustre Western-erfahrene Truppe mit an Bord. Begleitet von Riz Ortolanis gewohnt stimmungsvoller Filmmusik, stand einer erfolgreichen Umsetzung nur wenig entgegen, zumal die Produktionsmittel offensichtlich nicht knapp bemessen waren. Sieht man von den 60er Jahre Frisuren ab, gelang Sergio Garrone eine atmosphärisch stimmige Umsetzung der während des 2.Weltkriegs 1943 in Nordafrika und West-Asien spielenden Handlung. Ein Eindruck, der sich durch die Verzahnung mit dokumentarischen Militär-Aufnahmen noch verstärkt, gerade weil sie der Regisseur schwarz-weiß beließ und erst gar nicht versuchte sie optisch anzupassen.

Allerdings erreichte das Kriegsfilm-Genre nie die Popularität des Italo-Western oder Giallo in Deutschland, obwohl in Italien Ende der 60er Jahre versucht wurde, die im Western populär gewordenen Mechanismen auf den Kriegsfilm zu übertragen – in der Hoffnung, das Geschäft wiederzubeleben. Denn während der Western seinen Zenit überschritten hatte, erlebten Kriegsfilme in Folge des Vietnamkriegs auch in Hollywood einen kurzen Boom. Mit einer kritischen Reflexion hatten diese fast ausschließlich während des 2.Weltkriegs spielenden Werke nichts zu tun – viel mehr galt es eine spannende, bis zum Showdown zugespitzte Story zu präsentieren, die mit möglichst vielen Action-Elementen angereichert wurde. Sergio Garrone hatte zuvor schon das Drehbuch zu "5 per l'inferno" (Todeskommando Panthersprung, 1969) geschrieben, der die Kriegs-Thematik ähnlich des US-Erfolgs „The dirty dozen“ (Das  dreckige Dutzend, USA 1967) von der ironisch, überspitzten Seite angegangen war – allerdings ohne Aldrichs subversiven Subtext.

„La colomba non deve volare“ orientierte sich dagegen an einer realen, aus italienischer Sicht geschilderten Militäraktion. Nach der Landung der Alliierten im Süden Italiens sind die auf Sizilien stationierten deutschen und italienischen Soldaten eingeschlossen. Ein italienisches Bomber-Kommando erhält den Auftrag, den Besatzer-Ring anzugreifen, um ihre Soldaten bei einem Durchbruchsversuch zu unterstützen. Die Schwere dieses Vorhabens begründet sich durch die große Entfernung des Stützpunkts der italienischen Fliegerstaffel. Um wieder von Sizilien aus zurückkehren zu können ist es notwendig in der Wüste von Bahrein auf dem Hinflug den Tank aufzufüllen – ein äußerst riskantes Vorgehen für die Piloten, denn jeder Schritt muss genau ineinander greifen, um ein Gelingen zu ermöglichen. Doch der englische Geheimdienst kennt die Pläne und will verhindern, dass „die Taube“ abhebt, weshalb er alles daran setzt, einen spanischen Geheimagenten zu beseitigen, der für den notwendigen Benzin-Nachschub in der Wüste sorgen soll.

Schon die ersten Minuten lassen wenig Zweifel daran, wem in Garrones Film die Sympathien gelten. Zwar stellt sich heraus, dass es die getöteten Männer auf den in Aden stationierten englischen Luftwaffenstützpunkt abgesehen hatten, aber die brutale und hinterhältige Vorgehensweise, mit der der englische Geheimdienstoffizier Major Harris (William Berger) diese ermorden ließ, klassifiziert ihn als Bösewicht. Dagegen erweist sich der spanische Agent Pablo Vallajo (Horst Buchholz), der als Einziger lebend aus Aden entkommen konnte, als so charmanter, wie tatkräftiger Mann. Zuerst muss er Anna (Sylva Koscina), die ihm in Bahrein als Kontaktperson dient, noch in ihrer Wohnung überwältigen, aber schnell gewinnt er ihr Vertrauen und wird in seinem weiteren Vorgehen von ihr unterstützt. Neben Pablo wird der Offizier der italienischen Luftwaffe Major Ridolfi (Riccardo Garrone), der den Luftangriff leitet, zum eigentlichen Helden. Und sein Flugzeug, ein Bomber vom Typ „Savoia-Marchetti S.M.79“, den Sergio Garrone sowohl im Original wie in dokumentarischen Aufnahmen ausführlich im Bild festhält. Ihnen gilt die den Film abschließende Tafel mit der Aufschrift „Das legendäre Unternehmen der Helden von Bahrein erhielt so seinen Eintrag ins goldene Geschichtsbuch“.

Vielleicht lag es an dieser kritiklosen Heldenverehrung, die keinen Moment den politischen Hintergrund beleuchtete, dass "La colomba non deve volare" nicht nach Deutschland kam?  - Offiziere der deutschen Wehrmacht tauchen als Verbündete nur in einer kurzen Szene auf und die Nähe des spanischen Agenten zur Franco-Diktatur findet ebenso wenig Erwähnung wie die faschistische Mussolini-Administration. Im Gegenteil zeigen sich die an unterschiedlichen Orten agierenden Vallajo und Ridolfi einzig an der Sache interessiert und wenden Gewalt nur im Notfall an – als wäre die Bombardierung der US-Armee eine neutrale Hilfsaktion für eingesperrte Soldaten. Immerhin schürte ihr wenig emotionaler Pragmatismus keine Ressentiments.

„La colomba non deve volare“ wurde wegen seines ruhigen, nur von wenig Action unterbrochenen Stils kritisiert, obwohl darin seine Stärke liegt. Die abschließenden Szenen mit dem Gefecht in der Wüste und den dokumentarischen Aufnahmen des Luftangriffs erfüllten zwar die Erwartungshaltung an einen Kriegsfilm, sind aber ebenso verzichtbar wie die Heldenbilder des Major Ridolfi. Garrones Film ist immer dann am besten,  wenn er sich als Western im Kriegsfilmgewand allein auf seine Protagonisten konzentriert. Besonders Horst Buchholz gelingen in der Wüste einige prägnante und spannende Szenen, aber auch sein Zusammenspiel mit Sylva Koscina verfügt über einen erotischen Subtext, der keine Konkretisierung benötigt. Seine Rolle des spanischen Agenten erinnert ein wenig an den von Clint Eastwood gespielten „Mann ohne Namen“ aus Sergio Leones „Per un pugno di dollari“ (Für eine Handvoll Dollar, 1964). Er hat weder Vergangenheit, noch Zukunft. Und verschwindet, nachdem er seinen Job erledigt hatte, wieder in der Wüste – hätte Garrone auch seinen Film so enden lassen, hinterließe „La colomba non deve volare“ einen weniger zwiespältigen Eindruck.

"La colomba non deve volare" Italien, Deutschland 1970, Regie: Sergio Garrone, Drehbuch: Tito Carpi, Sergio Garrone, Giuseppe Masini, Mario di Nardo, Darsteller : Horst Buchholz, Sylva Koscina, William Berger, Riccardo Garrone, Howard Ross, Laufzeit : 97 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Sergio Garrone:

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Der Name "L'amore in città" bezieht sich auf einen Episoden Film aus dem Jahr 1953, der erstmals Regisseure in Italien dazu brachte, ihre extra dafür geschriebenen und gedrehten Kurzfilme zu einem Gesamtwerk zu vereinen. Der Episodenfilm steht symbolisch für eine lange, sehr kreative Phase im italienischen Film, die in vielerlei Hinsicht stilbildend für die Kunstform Film wurde. Die intensive Genre-übergreifende Zusammenarbeit unter den Filmschaffenden war eine wesentliche Grundlage dafür.