Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den

Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den
Ein Rückblick in die Entstehungsphase der "Commedia sexy all'italiana"

Montag, 5. Januar 2015

Basta con la guerra... facciamo l'amore (Der Oberst mit dem Dachschaden schlägt wieder zu) 1974 Andrea Bianchi

Inhalt: Colonello Gustavo (Jacques Dufilho) leitet mit Vehemenz und militärischer Überzeugung eine Versorgungseinheit, die er als wichtige Grundlage für die kämpfenden Truppen ansieht. Seine Soldaten teilen seine Einstellung weniger, schmuggeln Waren aus der Kaserne nach draußen und laufen hinter jedem Weiber-Rock her. Besonders das Auftauchen von Ada (Dagmar Lassander), der jungen Ehefrau des Colonello, erzeugt gierige Blicke, aber auch dessen Hausmädchen weckt Begehrlichkeiten - besonders bei zwei Unteroffizieren, die sich um ihre Gunst streiten.

Als sich der Neffe des Colonello ankündigt, den dieser in seiner Einheit zum Soldaten ausbilden lassen will, protestiert Ada kurz. Doch sobald der hübsche junge Mann am Bahnhof auftaucht, ändert sie schnell ihre Meinung. Der Colonello ist dagegen schockiert, denn sein Neffe will keineswegs die militärische Laufbahn antreten, sondern Priester werden. Dagegen hilft aus seiner Sicht nur ein Mittel – Sex. Ada erhält keineswegs gegen ihren Willen den Auftrag, den jungen Mann von den Nachteilen des Zölibats zu überzeugen, aber dieser erweist sich trotz ihrer Verführungskünste als sehr widerstandsfähig…


"Basta con la guerra...facciamo l'amore" (Schluss mit dem Krieg...lasst uns Liebe machen)


Gibt es einen sympathischeren und aussagekräftigeren Titel für eine Militärklamotte? - In Deutschland, wo der Film erst drei Jahre nach seinem Erscheinen in den italienischen Kinos einen Verleiher fand, hängte man sich mit "Der Oberst mit dem Dachschaden schlägt wieder zu" dagegen an die in Italien erfolgreiche Kino-Filmreihe um den irren Colonello Rambaldo Buttiglione an, die es insgesamt auf fünf Filme brachte. Für den französischen Mimen Jacques Dufilho, ein seit den frühen 40er Jahren häufig besetzter Nebendarsteller, der es später noch zu „César“-Ehren bringen sollte, wurde die Parodie eines hohen Offiziers zu seiner Paraderolle, die er zuerst in der Persiflage "Les bidasses en folie" (Die fünf tollen Charlys - Frechheit siegt, 1971) unter der Regie Claude Zidis verkörperte – und die zum Auslöser für die Figur des Colonello Rambaldo Buttiglione wurde, die ab "Un ufficiale non si arrende mai nemmeno di fronte all'evidenza, firmato Colonnello Buttiglione" (1973) ihr Unwesen treiben sollte.

Der Colonello bindet dem General das Lätzchen
Aus dem vielsagenden Original - Titel „Ein Offizier, der niemals je die direkte Front erreichte, gezeichnet Oberst Buttiglione“ wurde in Deutschland das schnöde „Zu Befehl, Herr Feldwebel“, kam aber erst mit deutlicher Verspätung 1975 in die Kinos, gleichzeitig mit dem zweiten Film der Reihe "Il colonnello Buttiglione diventa generale" (Herr Oberst haben eine Macke, 1974). Dabei blieb es – bis 1977 noch "Der Oberst mit dem Dachschaden schlägt wieder zu" nachgeschoben wurde, bei dem es sich um kein Sequel handelt, sondern der unabhängig davon schon vor dem zweiten Teil der Oberst Buttiglione-Saga herausgekommen war. An dieser rudimentären sowie verspäteten Veröffentlichungspraxis wird deutlich, dass die in Italien Ende der 60er Jahre als Reaktion auf den Vietnamkrieg zunehmend populärer werdende Militär-Klamotte in Deutschland nur auf wenig Gegenliebe stieß. Zwar gibt es auch frühe Beispiele deutscher im Militärumfeld spielender Komödien („Mikosch, der Stolz der Kompanie“ (1957)), aber die Albernheiten betrafen nur die unteren Dienstränge – die Konsequenz, mit der in italienischen Klamotten auch höchste Offiziere der Lächerlichkeit preisgegeben wurden, hat im deutschen Film dagegen keine Tradition.

Einzig die Nähe zur „Commedia sexy all’italiana“ sorgte für einen gewissen Werbe-Effekt, denn die vorherrschende Konzentration des Soldaten galt weniger dem Feind, der im Gegenteil nie personalisiert wurde, sondern fast ausschließlich den Frauen. Das hatte zur Folge, dass attraktive Darstellerinnen wie Edwige Fenech ("La dottoressa del distretto militare" (Die Knallköpfe der 6. Kompanie (1976)) unter teilweise abenteuerlichen Umständen irgendwann beim Militär landeten, um die versammelte Idioten-Truppe von Möchtegern-Soldaten mit einer oft spärlich bekleideten Traumfrau zu kontrastieren. Diese Aufgabe übernahm in "Basta con la guerra...facciamo l'amore" Dagmar Lassander als Ehefrau des Colonello Gustavo (Jacques Dufilho) - ein Paar, dessen Zustandekommen nur schwer nachzuvollziehen ist - die gleich zu Beginn für eine vertraute Sequenz sorgte, die später fast identisch in "La dottoressa del distretto militare" wiederholt wurde.

Nachdem der chaotische Sauhaufen zum Morgenappell angetreten war, wie immer begleitet von einem unfähigen Trompeter, dessen Signale weitest möglichen Spielraum belassen, betritt Ada (Dagmar Lassander) die Szenerie und hinterlässt weiche Knie und sabbernde Mundwinkel. Wie gewohnt lag der Schwerpunkt der überschaubaren Story darauf, möglichst schnell und häufig sexuelle Handlungen vollziehen zu können – meist ein hoffnungsloses Unterfangen. Sieht man von gelegentlich eingefügten Slapstick-Szenen ab, die vor allem einem Unteroffizier gelten, dessen Missgeschicke jedes Mal für das Eingipsen eines weiteren Körperteils sorgen, spielten die eigentlichen Militär-Abläufe eine untergeordnete Rolle. Aber anders als im Genre sonst üblich, verlegte Autor Sergio Simonetti, der für Regisseur Andrea Bianchi auch das Drehbuch zu dessen Vorgängerfilm "Quelli che contano" (Die Rache des Paten, 1974) geschrieben hatte, den Handlungsstrang größtenteils in den zivilen Außenraum.

Oberst Gustavo, der sich nicht mehr in der Lage sieht, seine junge Frau zu befriedigen, bittet diese, sich um seinen Neffen zu kümmern, der statt zum Militär zu gehen, wie er es von einem „richtigen Mann“ verlangt, Priester werden will. Um den herben Verlust an Wehrfähigkeit für Italien zu verhindern, soll seine Ada quasi im staatlichen Auftrag mit vollem Körpereinsatz seinen Neffen verführen, bei dem es sich praktischerweise um einen attraktiven jungen Mann handelt. Neben Szenen, in denen einem General, der die Versorgungseinheit inspizieren will, dass Gesicht mit Schokolade verschmiert wird, gehört zum Höhepunkt der Handlung der ständige Zwiespalt eines Offiziers, der Mannhaftigkeit predigt, selbst aber alles dafür tut, dass ihm von seiner Frau Hörner aufgesetzt werden – eine von Jacques Dufilho wunderbar gespielte Dekonstruktion typischer Testosteron gesteuerter Männlichkeitsgebärden.

Dass "Basta con la guerra...facciamo l'amore" zu den früheren Vertretern der Militär-Klamotte gehört, lässt sich an einer gewissen Zurückhaltung erkennen. Obwohl 1974 offenherzige Erotik-Filme auch in Italien schon zum Standard gehörten, umschiffte die Kamera geschickt jedes direkte Erhaschen der Brüste Dagmar Lassanders und beließ es bei einer dezenteren Form, ihren Körper aus allen möglichen Blickwinkeln einzufangen, die an ihren verführerischen Qualitäten aber keinen Zweifel ließ. Die Anspielungen auf eine mögliche Homosexualität des Neffen blieben spärlich und der später zum Standardrepertoire gehörige Fäkalhumor oder Witze über Fettleibige kamen noch nicht vor, weshalb Bianchis erster Ausflug ins Komödienfach einen unbeschwerten Blick auf den Abgesang jeden militärischen Heldentums bietet. Nur die moralischen Standards durften nicht außer Kraft gesetzt werden. Das glückliche Ende für Ada erweist sich als Trugschluss, denn die Strafe in Form einer jungen, knackigen Tante droht schon – vom Geist des Colonello nicht ohne Schadenfreude beobachtet.

"Basta con la guerra...facciamo amore" Italien 1974, Regie: Andrea Bianchi, Drehbuch: Sergio Simonetti, Piero Regnoli, Gian Carlo Fusco, Darsteller : Jacques Dufilho, Dagmar Lassander, Vincenzo Cudia, Dada Gallotti, Mario Brega, Laufzeit : 88 Minuten

Lief als "Stählerner Überraschungsfilm" am ersten Tag des 14. Hofbauer-Kongress' vom 02. bis 06.01.2015 in Nürnberg.

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Der Name "L'amore in città" bezieht sich auf einen Episoden Film aus dem Jahr 1953, der erstmals Regisseure in Italien dazu brachte, ihre extra dafür geschriebenen und gedrehten Kurzfilme zu einem Gesamtwerk zu vereinen. Der Episodenfilm steht symbolisch für eine lange, sehr kreative Phase im italienischen Film, die in vielerlei Hinsicht stilbildend für die Kunstform Film wurde. Die intensive Genre-übergreifende Zusammenarbeit unter den Filmschaffenden war eine wesentliche Grundlage dafür.