Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den

Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den
Ein Rückblick in die Entstehungsphase der "Commedia sexy all'italiana"

Dienstag, 24. Juli 2012

It started in Naples (Es begann in Neapel) 1960 Melville Shavelson


Inhalt: Michael Hamilton (Clarke Gable) kommt zum ersten Mal nach dem Krieg wieder nach Neapel, um die Erbschaftsangelegenheiten seines bei einem Unfall verstorbenen Bruders zu regeln. Der Anwalt will so schnell wie möglich wieder nach Philadelphia zurück, da er Land und Leuten in Italien sehr skeptisch gegenüber steht. Doch sein italienischer Anwaltskollege Mario Vitali (Vittorio De Sica) überrascht ihn damit, das sein Bruder gemeinsam mit einer Frau verunglückte und sie ihren 8jährigen Sohn Nando hinterließen, Hamiltons Neffen. Dieser lebt bei seiner Tante Lucia (Sophia Loren) auf Capri, weshalb sich Hamilton dazu entschließt, mit der Fähre hinüber zu fahren, um den Jungen einmal kennenzulernen. Die schöne Lucia selbst hatte ihm Vitali schon in Neapel bei einer Prozession durch die Altstadt vorgestellt, bei der sie als Königin mitwirkte.

Ihr Zuhause auf Capri wirkt zwar weniger königlich, aber offensichtlich ist Nando, den Hamilton vorher schon zufällig am Hafen trifft, sehr glücklich bei seiner Tante. Mit dem Eindruck, die Dinge erledigt zu haben, verabschiedet sich der Anwalt, um die letzte Fähre nach Neapel zu nehmen. Doch diese existiert nicht, weshalb er sich für eine Nacht ein Hotelzimmer nehmen muss. Als er am späten Abend durch die Gassen streift und einen Café trinken will, begegnet ihm wieder Nando, der raucht und Werbezettel für die Auftritte seiner Tante verteilt, auf denen diese leicht bekleidet abgebildet ist. Als er ihn nach seiner Schule fragt, antwortet er nur, diese würde zu früh für ihn beginnen. Misstraurig geworden, begibt er sich zu dem Etablissement und erlebt Lucia bei ihrem Auftritt. Er beschließt, dass sich doch etwas ändern muss...


Von den us-amerikanischen Filmen, in denen Sophia Loren die Hauptrolle spielte, ist "It started in Naples" (Es begann in Neapel) der italienischste. Nicht nur das Suso Cecchi D'Amico am Drehbuch mitwirkte, Vittorio De Sica eine wichtige Nebenrolle spielte und der Film in den römischen "Cinecittà" Filmstudios, sowie vor Ort in Neapel und auf Capri entstand, sondern Sophia Loren kam mit ihrer Rolle als junge Frau aus einfachen Verhältnissen wieder auf ihre Anfänge zurück. Damit schloss sich der Kreis, denn Vittorio De Sica hatte die in Neapel aufgewachsene Loren in "L'oro di Napoli" (Das Gold von Neapel, 1954) in einer Rolle (Episode "Pizze a credito") besetzt, die sie in "Es begann in Neapel" variierte.

Mit Regisseur Melville Shavelson hatte sie zuvor schon in den USA "Houseboat" (1958) gedreht, dort aber eine Italienerin aus gutem Hause verkörpert, während sie jetzt wieder die lebenslustige Süditalienerin gab, die ihre optischen Vorzüge einzusetzen weiß. Ihr Lebenswandel im Film wirkt entsprechend wenig solide, auch weil sie im knappen Trikot nachts zum Vergnügen der Touristen singt und tanzt. In "L'oro di Napoli" hatte sie noch einen heimlichen Liebhaber und ihre Beweggründe waren durchaus egoistischer Natur, aber diese Freizügigkeit war im amerikanischen Kino dieser Zeit nicht möglich, weshalb sich Shavelson eine ziemlich hanebüchene Konstruktion ausdachte.

Als der Anwalt Michael Hamilton in Neapel ankommt, will er nur so schnell wie möglich die Erbschaftsangelegenheiten seines vor 10 Jahren nach Italien ausgewanderten Bruders erledigen. Sein Kollege Mario Vitale (Vittorio De Sica) möchte ihm Neapel und Umgebung zeigen, aber Hamilton lehnt ab, da er glaubt, dass das einzige Interesse der Italiener darin liegt, Touristen auszunehmen, weshalb er auch der freundlichsten Geste misstraut. Aus dem Off kommentiert er entsprechend ironisch Land und Leute, besonders deren Hang zum bequemen Leben. Doch sein Plan wird erschüttert, als er erfährt, das sein noch in den USA verheirateter Bruder mit einer Frau verunglückte und sie einen 8jährigen Sohn hinterließen, seinen ihm bisher unbekannten Neffen Nando (Marietto).

Zu Beginn des Films gibt Italien nicht nur in der Meinung Hamiltons ein sehr leichtfertiges Bild ab, in das das Leben seines Bruders hervorragend passt. An diesem Punkt kommt auch Sophia Loren ins Spiel, der als Tante von Nando das Sorgerecht übertragen wurde. Als Hamilton sie auf Capri besucht, um seinen Neffen kennen zu lernen, fügt sich alles ins voreingenommene Bild - sie schläft tagsüber, da sie bis zum frühen Morgen im Nachtclub auftritt, und der ihr anvertraute Junge verteilt nicht nur Werbezettel mit der Leichtbekleideten, sondern raucht und geht nicht zur Schule, da er ihren Schlafrhythmus angenommen hat.

Das dieser äußerlich anzügliche, unsolide Eindruck relativiert werden musste, wird schon daran deutlich, das Lucia (Sophia Loren) die Tante des Jungen ist, nicht seine Mutter, was wesentlich realistischer gewesen wäre. Nicht nur weil dem Jungen keinerlei Trauer hinsichtlich des Todes seiner Eltern anzumerken ist, obwohl dieser noch nicht lange zurückliegen kann, sondern weil seine leibliche Mutter  - außer zu Beginn durch den Anwalt - nie erwähnt wird, weder von ihm, noch von Lucia, ihrer Schwester. Nandos Vater, der Bruder Hamiltons, und dessen Liebe zum Feuerwerk, bleiben ein wichtiges Thema im Film, aber die Mutter, traditionell die wichtigste Person, scheint nie existiert zu haben.

Ganz offensichtlich war es für die Story zwar notwendig, das Nando zu Lucia ein sehr enges Verhältnis hat, um den Kampf um ihn glaubwürdig darstellen zu können, aber als Mutter hätte sie ein uneheliches Kind gehabt und viele Jahre eine wilde Ehe mit Hamiltons Bruder geführt, womit eine Liebesbeziehung zwischen den beiden Protagonisten nicht mehr möglich gewesen wäre. Auch sonst wandelt sich die schöne Lucia schon bald in ein sehr anständiges, jungfräuliches Mädchen, deren nächtliche Auftritte rein künstlerischer Natur sind und die selbstverständlich keinerlei Männerbekanntschaften hat. Stattdessen geht sie auf den Rat des Anwalts Vitale ein, sich nicht um den Jungen zu streiten, sondern mit dem 30 Jahre älteren Michael Hamilton zu vertragen. Auch dieser wird entsprechend eingewiesen und es beginnen gemeinsame Tage auf Capri, die den schönsten Italien-Urlaub in den Schatten stellen - natürlich trotz aller Liebe immer mit respektvollem Abstand, wie es sich gehört.

Ähnlich unglaubwürdig gestaltet sich auch der private Hintergrund des Anwalts, der kurz vor seiner Hochzeit in Philadelphia steht. Dass er diese um einen Tag verschieben muss, wie er seiner Verlobten am Telefon mitteilt, da er von Capri aus keine Fähre mehr zurück zum Festland bekam, kann man nur wohlwollend als dramaturgisches Schelmenstück ansehen. Hamilton wird zu Beginn so konservativ beschrieben, dass es nicht vorstellbar ist, dass er so unmittelbar vor seiner Hochzeit eine Reise nach Italien unternehmen würde. Wirklich ernst hatten die Drehbuchautoren die Verlobte sowieso nicht genommen, weshalb er die Beziehung mit ihr wenig später aufkündigt, als sie ihn am Telefon zu sehr nervt. „Es begann in Neapel“ lässt keinen Aspekt aus, der das Zusammenkommen zweier Menschen erschweren könnte, egal wie sehr das Drehbuch dafür getreten werden musste.

Umso erstaunlicher ist es, wie souverän Sophia Loren und Clarke Gable darüber hinweg spielen. Gable nimmt man den stocksteifen Anwalt sowieso nicht ab, so lässig bewegt er sich von Beginn an zwischen den vielen Menschen. Auch sein Umgang mit der schönen Lucia zeugt von weltmännischem Auftreten, während Sophia Loren der Spagat zwischen erotischer Versuchung, liebender Mutter (hier Tante) und anständigem Mädchen perfekt gelingt. Der Film verdankt seinen Erfolg der Tatsache, dass die beiden Hauptdarsteller so überlebensgroß sind, das die Drehbuchkonstruktionen dahinter einfach verschwinden. Und er verdankt seinen Erfolg einem Blick auf Italien, das von Sonne und Meer, immer gutgelaunten und dem Leben positiv gegenüber stehenden Menschen geprägt ist – ein Leben voller Amore und anderen großen Gefühlen. Selbst wenn es im Film um die ernsthafte Thematik eines Sorgerechtsstreits vor Gericht geht, muss selbst der Anwalt der Klägerseite, als von Emotionen erfüllter Italiener, die Partei der Mamma - pardon, der Tante! – ergreifen.

Diese wenig realistische, ironiefreie und familientaugliche Sichtweise, auch wenn sie italienische Charakteristika aufgreift und ein wenig die amerikanische Lebensart karikiert (besonders im von Sophia Loren gesungenen Lied "Tu vuó fa l'americano"), könnte man leicht als typische Hollywood-Komödie abtun, aber sie wurde stilbildend auch für viele italienische Filme, besonders in der Zusammenarbeit zwischen Vittorio De Sica und Sophia Loren. In "La riffa" (Episode aus "Boccaccio '70", 1962), "Ieri, oggi e domani" (Gestern, heute und morgen, 1963) und "Matrimonia all'italiana" (Hochzeit auf italienisch, 1964) variierten sie mehrfach die Rolle der Lucia, immer eingebettet in ein pseudo-realistisches Umfeld. Im Vergleich zu den Filmen der „Commedia all’italiana“ wie etwa Mario Monicellis „I soliti ignoti“ (Diebe haben’s schwer, 1958), die hinter dem Humor und der optimistischen Lebensart auch die Schattenseiten spüren ließen, blieben De Sicas Filme dieser Phase von unterhaltender Harmlosigkeit, bewahrten sich aber noch einen Rest an ironischer Distanz. „Es begann in Neapel“ kann dagegen nur mit seinen beiden Hauptdarstellern aufwarten, die mit Hilfe gut aufgelegter Nebendarsteller das verlogene Kind irgendwie schaukeln.

"It started in Naples" USA 1960, Regie: Melville Shavelson, Drehbuch: Melville Shavelson, Suso Cecchi D'Amico, Darsteller : Sophia Loren, Clarke Gable, Vittorio De Sica, Marietto, Paolo Carlini, Laufzeit : 97 Minuten

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Der Name "L'amore in città" bezieht sich auf einen Episoden Film aus dem Jahr 1953, der erstmals Regisseure in Italien dazu brachte, ihre extra dafür geschriebenen und gedrehten Kurzfilme zu einem Gesamtwerk zu vereinen. Der Episodenfilm steht symbolisch für eine lange, sehr kreative Phase im italienischen Film, die in vielerlei Hinsicht stilbildend für die Kunstform Film wurde. Die intensive Genre-übergreifende Zusammenarbeit unter den Filmschaffenden war eine wesentliche Grundlage dafür.