Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den

Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den
Ein Rückblick in die Entstehungsphase der "Commedia sexy all'italiana"

Mittwoch, 19. Dezember 2012

Le colt cantarono la morte e fu...tempo di massacro (Django - Sein Gesangsbuch war der Colt) 1966 Lucio Fulci


Inhalt: Tom Corbett (Franco Nero), auch „Django“ genannt, arbeitet als Goldsucher, aber als ihm ein alter Mann die Nachricht übergibt, möglichst schnell in seine alte Heimat zurückzukehren, bricht er sofort auf. Dort muss er nicht nur feststellen, dass sein Bruder Jeffrey (George Hilton) die Familienranch verkauft hat und in einem heruntergekommenen Haus lebt, die gesamte Gegend befindet sich inzwischen unter der Kontrolle des Großgrundbesitzers Scott (Giuseppe Addobbati), dem fast alle Gebäude gehören.

Bald schon wird „Django“ mit dessen Sohn Jason Scott (Nino Castelnuovo) konfrontiert, als dieser rücksichtslos die Flucht einer Farmerfamilie unterbindet, indem er deren minderjährigen Sohn erschießt. Gemeinsam mit einer Armee an bewaffneten Männern terrorisiert er die Menschen und nimmt ihnen ihren Besitz ab. „Django“ will deshalb mit Jasons Vater sprechen, aber es stellt sich schon als schwierig heraus, zu dessen schwer bewachten Gebäude vorzudringen…


Lucio Fulcis erster Beitrag zum Western-Genre erscheint aus heutiger Sicht eher zufällig, denn Mitte der 60er Jahre galt sein Augenmerk noch dem komödiantischen Film, weshalb sein Western mit dem poetischen Titel "Le colt cantarono la morte e fu... tempo di massacro" (Die Pistolen hatten den Tod besungen und es war....die Zeit des Massakers) zwischen "Come svaligiammo la banca d'Italia" (Wie wir die Bank von Italien ausraubten, 1966) und "Come rubammo la bomba atomica" (Wie wir die Atombombe stahlen, 1967) entstand. Dass Fulci erst einige Jahre später erneut zum Italowestern zurückkommen sollte ("I quattro dell'apocalisse" (Verdammt zu leben - verdammt zu sterben!, 1975)), als das Genre schon in seinen letzten Zügen lag, weist auf die Bedeutung des Drehbuchs von Fernando Di Leo hin, der seit seiner Mitarbeit bei Leones "Per un pugno di dollari" (Für eine Handvoll Dollar, 1964) schon einige Erfahrung in dem Metier gesammelt hatte.

Vielleicht ließ sich der deutsche Verleih zu "Sein Gesangsbuch war der Colt" vom italienischen Originaltitel inspirieren, aber die zusätzliche Nennung des Namens "Django" basierte allein auf dem schlichten Marketing-Trick, möglichst von Sergio Corbuccis "Django" (1966)-Erfolg zu profitieren. Dass Franco Nero bei Fulci nach "Django" gleich seine nächste Hauptrolle in einem Western spielte, lässt diese Vorgehensweise heute verzeihlich erscheinen, aber charakterlich und inhaltlich hat die von Di Leo erdachte Figur des Tom Corbett wenig mit Corbuccis Django gemeinsam. Wie überraschend die Umbenennung auch für die deutsche Synchronisation gekommen sein muss, wird zu Beginn des Films deutlich, als Franco Nero noch als Goldsucher arbeitet und von seinen Kollegen "Tom" gerufen wird. Erst nachdem er in seine Heimat zurückgekehrt war, heißt er plötzlich "Django".

Nicht nur der deutsche Verleih zeigte noch ein paar Anfangsschwierigkeiten bei der später lieb gewonnenen Gewohnheit, möglichst jeden Italowestern irgendwie in "Django" umzutaufen, auch Fulci gelingt nicht sofort der Einstieg in die dreckige Western-Optik, obwohl Nero sich die größte Mühe gibt, wieder wie ein desillusionierter Pistolero auszusehen. Doch seine sauberen, gebügelten Hemdsärmel, mit denen er im Fluss nach Gold sucht, sprechen eine gegensätzliche Sprache, die eher dem netten Burschen entspricht, der wieder nach Hause reitet, nachdem er eine geheimnisvolle Nachricht von einem alten Mann erhielt. Dort angekommen, muss er feststellen, dass die Farm seiner Familie in den Besitz des Großgrundbesitzers Mr. Scott (Giuseppe Addobbati) übergegangen ist und sich sein Bruder Jeffrey Corbett (George Hilton) in einer herunter gekommenen Bleibe dem Alkohol hingibt.

Was nach klassischem Revenge-Stoff klingt, entwickelt sich zuerst in eine überraschende Richtung, denn Tom Corbett (Django) verhält sich passiv und wenig dazu in der Lage, sich der Übermacht des Scott-Clans zu stellen. Bei diesem haben Di Leo und Fulci ganze Arbeit geleistet, denn die Figur des Jason Scott, Sohn des Großgrundbesitzers, gespielt von Nino Castelnuovo, der durch Viscontis "Rocco e i suoi fratelli" (Rocco und seine Brüder, 1960) bekannt wurde, ist ein Prachtexemplar von Bösewicht - nicht nur sadistisch und brutal, sondern in seiner geleckten, reinlich weißen Kleidung von psychotischer Unberechenbarkeit. In Jason trifft sich das Ergebnis einer elitären Erziehung und eines hasserfüllten, von Minderwertigkeitskomplexen geplagten Machtmenschen - eine tödliche Mischung, die den Bürgern mit Peitsche und Pistole das Fürchten lehrt und die gesamte Region um Corbetts Heimatstadt unterjochte.

Doch selbst in dieser, jedem Italowestern bestens zu Gesicht stehenden Schreckensfigur, wird gleichzeitig die größte Schwäche in Fulcis Film deutlich - seine Unausgewogenheit. Gleich zu Beginn veranstaltet Jason eine Menschenjagd, um später vor Toms Augen einen wehrlosen Jungen zu erschießen - nur Tom selbst kommt immer mit einer Warnung davon, selbst als es zu einer Prügelei im Saloon kommt, an der auch sein betrunkener Bruder teilnimmt. Zwar verbirgt sich hinter dieser seltsamen Rücksichtnahme ein überraschendes Geheimnis, aber angesichts Jasons Psyche und seiner späteren kompromisslosen Reaktion, wirkt dieses Verhalten im Nachhinein trotzdem unglaubwürdig.

"Le colt cantarono la morte e fu... tempo di massacro" wechselt mehrfach zwischen düsteren, teilweise gesellschaftskritischen Szenen und slapstickhaften Momenten, die fast an eine Western-Karikatur erinnern. So ist es sein bisher ständig besoffener Bruder Jeffrey, der plötzlich lässig aus der Hüfte schwingend, den Weg für den zurückhaltenden Tom freischießt, damit dieser zu der schwer bewachten Villa von Mr. Scott gelangen kann. Tom, der mit dem Großgrundbesitzer reden will, wird dort nicht nur mit einer elitären Gesellschaft konfrontiert, die in ihrer luxuriösen Ausgestaltung einen grotesken Gegensatz zur sonst ärmlichen Bevölkerung bildet, sondern von Jason mit der Peitsche vor deren Augen erniedrigt und verletzt. Eine überzeugende Szenerie, die erst durch das Eingreifen von Jasons Vater beendet wird. Doch dessen Charakterisierung weist eine ähnliche Unentschiedenheit auf wie der gesamte Film, denn obwohl der alte Mr.Scott nicht unschuldig an den rigorosen Methoden bei der Landübernahme gewesen sein kann und auch die Ansammlung der abgehobenen Gesellschaft auf sein Konto geht, wird er als besonnener Patriarch geschildert, dessen Sohn allein für die grausamen Verbrechen zuständig ist. Damit nimmt Fulci dieser Konstellation gleichzeitig wieder das kritische Potential.

Vielleicht haben er und Fernando Di Leo ihren Film auch weniger ernst gemeint, als es zwischendurch den Anschein hatte, denn zum Schluss lassen sie es richtig krachen. Franco Nero schlüpft aus seiner schüchternen Haut, zeigt, dass er auch als Tom Corbett mit dem Revolver umgehen kann, und legt mit seinem Bruder Jeffrey eine heiße Sohle aufs Parkett, dass den Gangstern die Kugeln nur so um die Ohren fliegen. Spannend ist das nicht mehr, eher an Fulcis komödiantische Phase erinnernd, aber letztlich signifikant für einen Western, der sein erzählerisches Potential nicht ausschöpft und sich für keine konsequente Richtung entscheidet.

"Le colt cantarono la morte e fu...tempo di massacro" Italien 1966, Regie: Lucio Fulci, Drehbuch: Fernando Di Leo, Darsteller : Franco Nero, George Hilton, Nino Castelnuovo, Giuseppe Addobbati, Linda Sini, Laufzeit : 90 Minuten


weitere im Blog besprochene Filme von Lucio Fulci:

Keine Kommentare:

Der Name "L'amore in città" bezieht sich auf einen Episoden Film aus dem Jahr 1953, der erstmals Regisseure in Italien dazu brachte, ihre extra dafür geschriebenen und gedrehten Kurzfilme zu einem Gesamtwerk zu vereinen. Der Episodenfilm steht symbolisch für eine lange, sehr kreative Phase im italienischen Film, die in vielerlei Hinsicht stilbildend für die Kunstform Film wurde. Die intensive Genre-übergreifende Zusammenarbeit unter den Filmschaffenden war eine wesentliche Grundlage dafür.