Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den

Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den
Ein Rückblick in die Entstehungsphase der "Commedia sexy all'italiana"

Montag, 3. Juni 2013

Sette dollari sul rosso (Django - die Geier stehen Schlange) 1966 Alberto Cardone

Inhalt: „El Cachal“ (Fernando Sancho) überfällt mit seinen Männern die Ranch von Johnny Ashley, tötet dessen indianische Ehefrau und raubt ihren zweijährigen Sohn Jerry. Johnny Ashley (Anthony Steffen) kann nach seiner Rückkehr nur noch die Toten begraben und schwört Rache für das grausame Verbrechen. Der Sheriff warnt ihn davor, das Gesetz in die eigenen Hände zu nehmen, aber Johnny will sich seinen Männern nicht anschließen, sondern seinen Weg alleine gehen. Er ahnt nicht, dass Jerry bei „El Cachal“ aufwächst, der seine Bande nach einem erfolgreichen Raub auflöst und verschwindet, weshalb Johnny ihn sehr lange vergeblich zu finden versucht.

Zwanzig Jahre später ist Jerry (Roberto Miali) selbst zu einem gnadenlosen Verbrecher geworden, der sich Frauen mit Gewalt nimmt und Wehrlose erschießt. Sein vermeintlicher Vater will mit ihm die Bank einer Großstadt ausrauben, weshalb er die Lage auskundschaften soll. Dazu begibt er sich in den Saloon der Schwestern Emily (Loredana Nusciak) und Sybil (Eilsa Montés), nicht ahnend, dass auch Johnny Ashley dort bei Emily zu Besuch ist…


Die Geschichte ist altbekannt - obwohl  "Sette dollari sul rosso" (wörtlich "Sieben Dollar auf Rot") 1966 noch kurz vor Corbuccis "Django" in die italienischen Kinos kam, erging es dem Film in Deutschland wie vielen anderen Italo-Western dieser Zeit. Der von Anthony Steffen gespielte Protagonist Johnny Ashley wurde in "Django" umbenannt, um den Film 1969 unter dem Titel "Django - die Geier stehen Schlange" in die Kinos bringen zu können, zusätzlich mit dem Werbesatz "Der neueste Django - einer der härtesten, die es bisher gab" versehen. Es ließe sich leicht über diese falsche Behauptung und die Namensänderung hinwegsehen, wäre dieser Umgang nicht signifikant für den niedrigen Stellenwert der Filme im Auge der damaligen Vertriebsgesellschaft. Ende der 60er Jahre war der Zenit des Italo-Western-Genres schon überschritten, weshalb die Filme möglichst reißerisch vermarktet wurden, wozu auch eine Synchronisation beitrug, die vor allem auf flotte Sprüche setzte, was den dramatischen Charakter von "Sette dollari sul rosso" abschwächte und damit die Intention des Films verfälschte.

Johnny Ashley (Anthony Steffen) ist eine tragische Figur, der bei seiner Heimkehr nicht nur seine erschossene Frau auffindet, sondern feststellen muss, dass sein zweijähriger Sohn Jerry verschwunden ist. Anthony Steffen, der in "Perché uccidi ancora" (Jetzt sprechen die Pistolen, 1965) und "Una bara per lo sceriffo" (Eine Bahre für den Sheriff) kurz hintereinander gleich in zwei Hauptrolle im Western reüssierte und zu einem führenden Vertreter des Genres werden sollte, spielte diesen Mann, den die Verzweiflung antreibt, ernsthaft und mit sparsamer Mimik, ohne den Gestus eines von sich selbst überzeugten Pistoleros. Im Gegenteil fällt die deutliche Betonung auf, dass "Selbstjustiz" kriminell ist - eine Ausnahme innerhalb des Italo-Western-Genres. Ashley wird deshalb vom Sheriff gefragt, ob er die Position eines Hilfssheriffs übernehmen will, damit er im Namen des Gesetzes handeln könnte. Er lehnt die Bitte zwar ab, um allein Rache zu üben, hält sich aber doch an diese Regel und tötet ausschließlich in Notwehr.

Für den Part des Gegenspielers wählte Alberto Cardone, dessen wenige Regiearbeiten sich hauptsächlich auf das Western-Genre beschränkten, Fernando Sancho, der den mexikanischen Bandenboss "El Cachal" wie gewohnt mit brachialer Lust am Verbrechen spielt und ohne zu zögern Frauen und Unbewaffnete erschießt. Auch Ashleys Frau hatte er getötet, bevor er den kleinen Jerry mitnahm, um ihn von seiner Frau als seinen eigenen Sohn aufziehen zu lassen. Erwachsen geworden tritt Jerry (Roberto Miali) ganz in die Fußstapfen seines vermeintlichen Vaters und übertrifft ihn sogar noch an hinterhältiger Rücksichtslosigkeit. Der große charakterliche Unterschied zwischen "El Cachal" und Jerry sowie dem einsamen Rächer Ashley ist von entscheidender Bedeutung für die dramatische Entwicklung des Films, weshalb der penetrante Versuch der deutschen Synchronisation, aus dem Scout und Familienvater einen knallhart vorgehenden, immer einen lockeren Spruch auf den Lippen führenden "Django"-Typus zu machen, die innere Tragik dieser Situation nicht zulässt. Als Emily (Loredana Nusciak) gegenüber Ashley nichts als Angst, Einsamkeit und Bitterkeit für ihre Zukunft sieht, geht die Synchro einfach lässig darüber hinweg, um den Unterhaltungswert nicht zu stören.

Allerdings erleichterte „Sette dollari sul rosso“ diese Vorgehensweise, weil sich der Film nach dem dramatischen Beginn ein wenig in den Weiten der Italo-Western-Welt verliert. Der Grund lag in der storytechnischen Aufgabe, etwa 20 Jahre überbrücken zu müssen, damit aus dem Kleinkind Jerry ein erwachsener Fiesling werden konnte – ein epischer Zeitraum aus dem Blickwinkel von Banditen und Revolverhelden im Western. Um zu erklären, warum Ashley so viel Zeit benötigt bis er endlich den Mörder seiner Frau findet, wird „El Cachal“ ein gewinnträchtiger Überfall angedichtet, woraufhin sich dessen Bande auflöst. Ashley hilft es deshalb wenig, ein früheres Mitglied zu erwischen und zum Reden zu bringen, denn der Unterschlupf der Bande ist längst verlassen und „El Cachal“ macht nicht mehr von sich Reden. Die Szenen im Mittelteil bieten zwar gelungene Western-Action, wirken aber beliebig aneinander gereiht und ohne stringent auf den Showdown am Ende hinzuführen. Im Gegenteil stellt sich die Frage, wieso „El Cachal“ nach einer so langen Zeit einer „bürgerlichen Existenz“ plötzlich wieder zum Banditen wird, der diesmal zusammen mit seinem Sohn die Bank einer Stadt überfallen will ? – Zudem ausgerechnet in dem Ort, indem sich auch Ashley gerade eingefunden hat, leicht angegraut von seiner jahrzehntelangen Suche.

Dem Drehbuch gelingt es nicht, die sehr gute und im Italo-Western außergewöhnliche Idee, einen Vater auf seinen als Kleinkind geraubten und zum Verbrecher gewordenen Sohn treffen zu lassen, über die gesamte Laufzeit schlüssig umzusetzen, da die Überleitung zwischen Ausgangssituation und dem dramatischen Ende nicht funktioniert. Trotzdem ist das letzte Drittel des Films spannend und nachvollziehbar inszeniert – zumindest in der Originalfassung – und entwickelt im Zusammenspiel der drei männlichen Protagonisten mit den beiden Schwestern Emily und Sybil (Elisa Montés) eine dramatische Zuspitzung, begleitet von einem stimmigen melancholischen Score, deren Ausgang nicht vorhersehbar ist.

"Sette dollari sul rosso" Italien / Spanien 1966, Regie: Alberto Cardone, Drehbuch: Juan Cobos, Melchiade Coletti, Arnaldo Francolini, Amedeo Mellone, Darsteller : Anthony Steffen, Fernando Sancho, Roberto Miali, Loredana Nusciak, Elisa Montés, Laufzeit : 96 Minuten

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Der Name "L'amore in città" bezieht sich auf einen Episoden Film aus dem Jahr 1953, der erstmals Regisseure in Italien dazu brachte, ihre extra dafür geschriebenen und gedrehten Kurzfilme zu einem Gesamtwerk zu vereinen. Der Episodenfilm steht symbolisch für eine lange, sehr kreative Phase im italienischen Film, die in vielerlei Hinsicht stilbildend für die Kunstform Film wurde. Die intensive Genre-übergreifende Zusammenarbeit unter den Filmschaffenden war eine wesentliche Grundlage dafür.