Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den

Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den
Ein Rückblick in die Entstehungsphase der "Commedia sexy all'italiana"

Dienstag, 3. Mai 2011

Il commissario di ferro (Kommissar Mariani - Zum Tode verurteilt) 1978 Stelvio Massi

Inhalt: Ein glückliches Paar verlässt das Kino, aber als die junge Frau, nachdem ihr Freund sie nach Hause gebracht hatte, aus dem Auto steigen will, werden sie brutal überfallen. Während ihr Freund zusammen geschlagen wird, nehmen die Männer sie mit, um kurz danach von ihrem Vater ein hohes Lösegeld zu fordern. Dieser will auch zahlen und bittet den ermittelnden Kommissar Mauro Mariani (Maurizio Merli) darum, sich rauszuhalten. Doch dieser denkt gar nicht daran, die Gangster zu schonen, und überwacht heimlich die Lösegeldübergabe. Er kann den Entführern zum Versteck der jungen Frau folgen, wo es ihm und seinen Männern gelingt, sie zu befreien, allerdings ohne die Drahtzieher dingfest machen zu können. Dank des glücklichen Ausgangs, kommt er mit einer Rüge davon, zementiert damit aber seinen schlechten Ruf, sich nicht an die Regeln zu halten.

Am nächsten Sonntag scheint wenig los zu sein, weshalb er sich nur kurz auf dem Kommissariat sehen lässt, um darauf seinen Sohn zu besuchen, der bei seiner von ihm getrennt lebenden Frau Vera (Janet Agren) lebt. Doch er hat nicht mit Sergio (Massimo Mirani) gerechnet, der als harmlos scheinender Bürger die Wache betritt und sich nach Mariani erkundigt. Dort wird ihm mit geteilt, dass dieser später nochmal zurück kommt, weshalb Sergio zuerst wartet, aber als ihm die Zeit zu lang wird, geht er heimlich in dessen leeres Büro, um nach weiteren Informationen zu suchen. Als er dort von einem anderen Polizisten entdeckt wird, eskaliert die Situation - Sergio bedroht die Männer mit seiner Pistole und formuliert seinen Wunsch: er will Kommissar Mariani töten...


Als ob "Il commissario di ferro" (Der Kommissar aus Eisen) den Inhalt nicht ausreichend getroffen hätte, muss der deutsche Titel noch das "Zum Tode verurteilt" hinzufügen, womit entweder dessen angebliches Schicksal zu sehr betont wird, oder der Eindruck eines Selbstjustiz ausübenden Polizisten entstehen sollte. Dabei bleibt der Film in dieser Hinsicht überraschend zurückhaltend, stellt zwar einen Polizeidetektiv in den Mittelpunkt, der sich nur wenig an die bürokratischen Regeln hält, deshalb aber keineswegs blindlings zur Waffe greift. Im Gegenteil überzeugt der Film durch seine kompakte, sich auf das Wesentliche beschränkende Erzählweise, die nicht nur auf schmückendes Beiwerk, sondern vor allem auf das emotionale Schüren von Rachegedanken verzichtet.

Die Entführung einer Tochter aus reichem Hause, mit der der Film beginnt, geht zwar auf die Mitte der 70er Jahre grassierende Entführungswelle (wie auch in Eriprando Viscontis „La orca“ von 1976) ein, soll aber nur verdeutlichen, dass Kommissar Mariani (Maurizio Merli) seine eigenen Wege bei der Verbrechensbekämpfung geht. Anstatt auf die Bitte des zahlungswilligen Vaters einzugehen, nicht einzugreifen, nimmt er die Spur der Entführer auf und kann das Opfer schließlich unverletzt befreien, allerdings ohne die Hintermänner zu fassen. Nur dank des positiven Ausgangs der Aktion, kommt er mit einer Rüge seines Vorgesetzten davon.


Abgesehen von dieser Eingangssequenz, spielt die komplette weitere Handlung nur am folgenden Sonntag, beginnend mit dem allein in seiner Wohnung aufwachenden Polizisten. Der Film entwirft mit wenigen Pinselstrichen das Bild eines Mannes, dessen zeitintensive Polizeiarbeit sein Familienleben zerstört hat. Seine Frau Vera (Janet Agren) hat ihn mit dem gemeinsamen Sohn verlassen, weshalb er – nachdem er kurz in seinem Kommissariat vorbei gesehen hatte – diesen, wie an jedem Sonntag besucht. Dem Film gelingt es, diese typische Konstellation ohne emotionalen Bombast zu vermitteln. Weder ist Mariani ein Zyniker, der den Glauben an die Menschheit verloren hat, noch ist er geistig ständig auf Verbrecherjagd, sondern einfach ein Mann der Tat. Er spielt genauso intensiv „Räuber und Gendarm“ mit seinem Sohn, wie er Verbrecher jagt – nur abwarten und Nichtstun, wie es die Polizeiarbeit oft verlangt, kann er einfach nicht.

Dieser Charakterisierung fehlt zwar jede Zwiespältigkeit, hat aber den Vorteil, das auch die weiteren Ereignisse um die Entführung seines Sohnes ohne das gewohnte pathetische Beiwerk abläuft. Maurizio Merlis Darstellung ist eine weitere Variante des engagierten, nicht aus eigennützigen Motiven handelnden Polizisten, wie er ihn schon mehrfach seit "Roma violenta" (Verdammte heilige Stadt, 1975) und in Umberti Lenzis Film "Roma a mano armato" (Die Viper, 1976) gespielt hatte. Allerdings deutlich weniger fanatisch angelegt, was der deutsche Verleih offensichtlich nicht akzeptieren wollte. In der deutsche Synchronisation wurde ihm wieder der beliebte Name "Ferro" verliehen, der in der Originalversion nur im Filmtitel erscheint.

Dass sein Sohn entführt wird, ist eher ein Zufall, denn der Täter, Sergio (Massimo Mirani), hatte es ausschließlich auf ihn abgesehen, hatte aber nicht damit gerechnet, dass Mariani am Sonntag nur kurz auf der Polizeiwache anwesend sein würde. Da er aber erfahren hatte, dass dieser noch einmal zurückkommen wollte, terrorisiert er fast die gesamte Belegschaft bis auch Marianis Ex-Frau und sein Sohn dort vorbei kommen, um ihn zu treffen. Er hatte ihnen versprochen, mit ihnen essen zu gehen, musste aber wegen eines dringenden Vorfalls noch an einen Tatort. Genauso straight wie die Story klingt, wird sie auch erzählt. Im Grunde ist der Commissario immer auf der Verfolgung irgendwelcher Verbrecher, unterbrochen nur von kurzen Momenten im Büro oder bei der Familie, und das ändert sich auch nicht, als Sergio seinen Sohn mitnimmt. Anstatt abzuwarten, bis der Entführer anruft und seine Bedingungen stellt, macht er sich schon auf den Weg und prügelt Informationen aus den Freunden des Entführers.

Allerdings bleibt der Film auch bei diesen Szenen ohne Sadismus oder übertriebene Härte, so wie auch die Mutter des entführten Jungen nicht in plötzliche Hysterie ausbricht, sondern eine Zigarette nach der anderen raucht. Selbst das Kind bleibt erstaunlich zurückhaltend. Dank dieser Unaufgeregtheit und der kompakten, schnellen Erzählweise, wird „Il commissario di ferro“ zu einem unterhaltenden und vor allem in den Szenen auf dem Kommissariat und am Ende, als Mariani endlich dem Entführer seines Sohnes gegenüber steht, spannenden Spät-Poliziesco, der zwar nicht besonders originell ist, aber über sympathische Darsteller, Momente der Selbstironie und ein entspanntes, auf pathetische Übertreibungen verzichtendes Ende, verfügt – heute keine Selbstverständlichkeit, angesichts dieser Thematik.

Betrachtet man "Il commissario di ferro" in der Entwicklung des italienischen Polizeifilms seit Lizzanis "Banditi a Milano" von 1968, wird deutlich, dass das Genre seinen Zenit 1978 schon überschritten hatte. Gemessen an Umberto Lenzis Filmen während der Hochphase "Milano odia:la polizia non può sparare" (Der Berserker, 1974) oder dem schon erwähnten "Roma mano armato" wirkt Massi Film gemäßigter und weniger kompromisslos, vergleichbar mit dem im selben Jahr entstandenen "La banda del gobbo" (Die Kröte).

"Il commissario di ferro" Italien 1978, Regie: Stelvio Massi, Drehbuch: Roberto Gianviti, Darsteller : Maurizio Merli, Janet Agren, Ettore Manni, Massimo Mirani, Chris Avram, Laufzeit 81 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Stelvio Massi:

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Der Name "L'amore in città" bezieht sich auf einen Episoden Film aus dem Jahr 1953, der erstmals Regisseure in Italien dazu brachte, ihre extra dafür geschriebenen und gedrehten Kurzfilme zu einem Gesamtwerk zu vereinen. Der Episodenfilm steht symbolisch für eine lange, sehr kreative Phase im italienischen Film, die in vielerlei Hinsicht stilbildend für die Kunstform Film wurde. Die intensive Genre-übergreifende Zusammenarbeit unter den Filmschaffenden war eine wesentliche Grundlage dafür.