Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den

Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den
Ein Rückblick in die Entstehungsphase der "Commedia sexy all'italiana"

Samstag, 21. August 2010

Quien sabe? (Töte Amigo) 1966 Damiano Damiani

Inhalt : Mexiko während der Revolution nach 1910 - während die Staatsmacht Revolutionäre hinrichtet, überfallen Banden die Armee, um ihnen Waffen für die Revolution zu stehlen. Der US-Amerikaner Bill Tate (Lou Castel) wird Zeuge eines solchen Überfalls, als er den Zug nimmt. Spontan hilft er den Angreifern, in dem er den Lokführer erschießt, sich selbst aber als Geisel hinstellt. Dadurch gewinnt er das Vertrauen ihres Anführer El Chuncho (Gian Maria Volonté) und schließt sich ihnen an.

Mit seiner Hilfe gelingen einige strategisch gelungene Überfälle auf Militärstützpunkte, so dass sie reiche Beute machen. El Chuncho will diese an General Elias verkaufen und ist mehr an dem Geld und seinem eigenen Spaß als an der Revolution interessiert. Das ändert sich zunehmend, als er das Elend seiner Landsleute erkennt, und diese ihn als Helden feiern. Doch Bill Tate verfolgt ganz andere Ziele...



"Wer weiß?" (Quien sabe?) lautet der Originaltitel, während der deutsche Verleih mit „Töte Amigo“ mehr das ungleiche „Brüder“- Paar hervorhob, dass sich im mexikanischen Bürgerkrieg zusammenraufte. Als Damiano Damiani seinen Film 1967 mit dieser Frage übertitelte, befand sich der Vietnamkrieg in einer ersten Hochphase, doch angesiedelt hatte er seine Story um den einheimischen Revoluzzer Chuncho (Gian Maria Volonté) und dessen amerikanischen Kompagnon Bill Tate (Lou Castel) zwischen 1910 und 1920. Die Anspielungen zu den Ereignissen im Vietnamkrieg sind trotzdem offensichtlich. Der US-Amerikaner unterstützt die mexikanischen Aufständischen vordergründig im Kampf gegen ihre eigenen Landsleute, verfolgt letztlich aber nur egoistische Beweggründe. Damiano Damiani bezeichnete seinen Film nicht ohne Grund als "politisch" und wehrte sich gegen die Einordnung ins Western-Genre. Tatsächlich förderte die abenteuerliche und an den klassischen Western angelehnte Handlung die vielschichtige Betrachtungsweise der Kritik an der amerikanischen Vorgehensweise.

Zu verdanken ist das besonders Gian Maria Volonte, der hier vordergründig eine Variation seiner Rollen in den wenigen Jahren zuvor entstandenen Sergio Leone Western "Per un pugno di dollari" (Für eine Handvoll Dollar,1964) und "Per qualche dollaro in più" (Für eine paar Dollar mehr,1965) gab. Wieder ist er ein wild aussehender, emotional manchmal unbeherrschter, schießwütiger Bandit, der zwar Waffen für den Revolutions - General Elias (Jaime Fernández) stiehlt, dabei aber vor allem an seinen Spaß und seinen Verdienst denkt. Der Zugüberfall gleich zu Beginn des Films ist entsprechend sein Meisterstück, das er mit rücksichtsloser Härte umsetzt.

Beginnend mit dem Offizier, den er als lebendes Hindernis auf den Gleisen platziert, dem Abknallen jedes Soldaten, der diesem zu Hilfe kommen will, bis zum kompletten Abschlachten aller auf dem Zug befindlichen Militär- und Polizeikräfte, auch wenn diese schon wehrlos davon laufen, ist der Überfall eine einzige Gewaltorgie, die "El Chuncho" (Gian Maria Volonté) gemeinsam mit seiner Bande, zu der auch "El Santo" (Klaus Kinski) und die schöne Adelita (Martine Beswick) gehören, durchführt. Dabei lernt er den US-Amerikaner Bill kennen, der den Lokführer erschossen hatte, um damit Hilfe für Chunchos Bande vorzutäuschen. Sein Manöver gelingt und er kann sich der Bande anschließen, obwohl er mit seinem glatten und gepflegten Äußeren bei einigen Mitgliedern Misstrauen erzeugt.

Stakkatoartig reiht Damiani danach noch einige Überfälle auf Armeestützpunkte aneinander, um den Strategiewechsel dank der Mitwirkung des Amerikaners zu verdeutlichen, aber schon nach einem Drittel des Films enden diese reinen Action-Sequenzen und die Handlung widmet sich zunehmend der inneren Struktur der Revolutionäre, zu der auch Kinskis Rolle als gewalttätiger "Heiliger" und Adelidas Misstrauen gegenüber dem gepflegten Bill beiträgt. Im Mittelpunkt bleibt aber die Beziehung zwischen dem Mexikaner und dem Amerikaner – den ungleichen „Amigos“, die sich mehr und mehr auseinander leben. Während sich Chuncho, der in einen Gewissenskonflikt zwischen seinem Wunsch nach Bereicherung und der offensichtlichen Armut und Unterdrückung seiner Landsleute gerät, Bill annähern will, versucht dieser, jede Emotion zu unterdrücken und begreift nicht das ihm entgegen gebrachte Vertrauen.

Diese Wechselwirkung zeigt sich besonders in der zentralen Szene des Films, in der Chuncho einem reichen Großgrundbesitzer und dessen engagierter Frau begegnet. Beide imponieren ihm, da der Kapitalist seine Schuld begreift und sie sich mutig für ihren Mann einsetzt. Doch die Landbevölkerung, die lange unter seiner Herrschaft leiden musste, fordert von Chuncho, den sie als Revolutionär feiern, dessen Tod. Er muss erkennen, dass die Zeit gegenseitiger Gespräche längst von unkontrollierter Gewalt abgelöst wurde. Als ein Bandenmitglied die Ehefrau belästigt und der Amerikaner sie daraufhin verteidigt, erschießt Chuncho einen seiner Männer, als dieser auf ihn losgehen will – für ihn ist Bill sein Freund. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hat Chuncho nichts mehr mit Volontés Banditen-Rollen aus den Leone-Western gemein, denn seine Handlungen sind ausschließlich von Aufrichtigkeit und Ernsthaftigkeit geprägt, ganz abgesehen von dem allgemeinen Verzicht auf coole Sprüche, sarkastische Bemerkungen und zynische Verhaltensmuster in "Quien sabe?", worin sich der Film auch von seinem thematisch verwandten Nachfolger "Il mercenario" (1968) von Sergio Corbucci unterscheidet.

Doch Bill begreift Chunchos geänderte Konsequenz nicht, was zu weiteren Missverständnis zwischen ihnen führt - bis es zum Bruch kommt. Die Parallelen zum US-Engagement in Vietnam zeigen sich weniger in Bills egoistischen Intentionen, als in dessen Unfähigkeit, sich in seinen mexikanischen Freund hineinzudenken. Auch das Scheitern der US-Amerikaner in Vietnam, die vordergründig den Einheimischen zu Hilfe kommen wollten, beruhte letztlich auf der Unfähigkeit, die Situation vor Ort zu begreifen, aber das konnte Damiano Damiani 1967 noch nicht wissen. Entsprechend konnte "Quien sabe?" auch keine Lösungen aufzeigen und blieb das "Wer weiß?" als offene Frage über einer Handlung bestehen, deren weitere Entwicklung nicht abzusehen war. Nur eines drückte der vielschichtig unterhaltende Film damals schon ganz deutlich aus: "Ami go home!"

"Quien sabe?" Italien 1966, Regie: Damiano Damiani, Drehbuch: Salvatore LauraniDarsteller : Gian Maria Volonté, Lou Castel, Klaus Kinski, Martine Beswick, Jaime Fernández, Laufzeit : 108 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Damiano Damiani:

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Der Name "L'amore in città" bezieht sich auf einen Episoden Film aus dem Jahr 1953, der erstmals Regisseure in Italien dazu brachte, ihre extra dafür geschriebenen und gedrehten Kurzfilme zu einem Gesamtwerk zu vereinen. Der Episodenfilm steht symbolisch für eine lange, sehr kreative Phase im italienischen Film, die in vielerlei Hinsicht stilbildend für die Kunstform Film wurde. Die intensive Genre-übergreifende Zusammenarbeit unter den Filmschaffenden war eine wesentliche Grundlage dafür.