Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den

Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den
Ein Rückblick in die Entstehungsphase der "Commedia sexy all'italiana"

Donnerstag, 13. August 2009

Il Gattopardo (Der Leopard) 1963 Luchino Visconti

Inhalt : Gerade erst aus der Stadt an sein Schloss zurückgekehrt, erfährt Fürst Salina (Burt Lancaster), genannt "Der Leopard", von der baldigen Ankunft seines Neffen Tancredi (Alain Delon). Nicht nur er freut sich auf den jungen, abenteuerlustigen Adeligen, sondern auch seine älteste Tochter, die in Tancredi verliebt ist. Sie bittet ihren Vater, ein gutes Wort bei ihm einzulegen, aber Salina weiß, dass Tancredi ihre Liebe nicht erwidert und versagt ihr die Unterstützung.


Denn Tancredi hat Großes vor - er will an der Seite Garibaldis kämpfen, dessen "Rothemden" die Einheit Italiens wollen. Das Land strebt Neuem zu und Tancredi möchte dabei eine wichtige Rolle spielen. Die Bekanntschaft mit der schönen und ehrgeizigen Angelica (Claudia Cardinale), deren Vater eine wichtige politische Persönlichkeit ist, kann ihm dabei helfen. Während er seine Karriere plant, muss sich der alternde Fürst Salina über seine Rolle innerhalb einer veränderten Gesellschaftsordnung bewusst werden...

Zum Verständnis des Films "Der Leopard" über die Begeisterung für die beeindruckenden, an Gemälde erinnernden Bilder und die abwechslungsreiche Geschichte hinaus, ist es notwendig zwei Hintergründe zu betrachten. Beide sind eng verbunden mit der Person des Regisseurs Luchino Visconti, der hier seinen autobiografischsten Film drehte, auch wenn dieser vordergründig nach der Vorlage eines Romans entstand.

Visconti entstammte einer der reichsten Adelsfamilien in Italien, die jahrhundertelang Mailand und die Lombardei regierte. Der "Herzog von Modrone" war Zeit seines Lebens finanziell unabhängig, kämpfte im Widerstand gegen die Faschisten und war überzeugter Kommunist. Aus dieser Einstellung heraus entwickelte er den italienischen Neorealismus, der die Verhältnisse im Land anprangerte, ohne das er dabei vergaß, eine Geschichte in exzellenten Bildern zu erzählen. Der innere Zwiespalt, in dem er sich befand, ist in seinen Werken fast immer zu erkennen, kulminiert aber am stärksten in "Der Leopard".

Schon sein erster Film "Ossessione" (1942) zeigte seine Meisterschaft in der Schauspielerführung, aber mehr noch in seiner inszenatorischen und optischen Qualität. Im Gegensatz zu Antonioni, der ebenfalls jedes Bild komponierte, strahlen seine Bilder weniger grafische Kälte aus, sondern wirken selbst in im Schwarz-Weiß-Kontrast wie bei "Ossessione" wärmer und menschlicher. Visconti war trotz aller seiner kritischen Vorbehalte und manchmal fatalistischen Neigungen vor allem ein Menschenfreund. Seine Filme zeigen nie die Abgründe der Seele und haben immer Verständnis für die Beweggründe der Protagonisten.

Scheinbar ist "Der Leopard" eine Abkehr von seinem zuvor gepflegten (neo)realistischen Stil, da es sich um einen historischen Stoff handelt. Doch Visconti bemüht sich in dem auf Sizilien spielenden Film um größtmögliche Authentizität - Ausstattung und Kostüme, die Landschaften und Städte wirken in den grandiosen, warmen und farbenprächtigen Bildern wie direkt dieser Zeit entnommen. Die Wahl des Zeitpunkts um 1860 herum ist ebenfalls kein Zufall, da hier die Vereinigung Italiens einen Höhepunkt hatte. Garibaldis Eroberung Siziliens, die er mit wenig mehr als tausend "Rothemden" bewerkstelligte - wobei ihm der Volksaufstand in Palermo dabei entgegenkam - ist ein erstes Anzeichen für die Auflehnung des Volkes ,daß größtenteils in Armut lebte, während der Adel nach wie vor feudalistisch herrschte. Schon 1848 hatte es eine Revolution gegeben, die aber niedergeschlagen wurde, doch die hier geschilderten Ereignisse führten, da Garibaldi freiwillig Sizilien wieder abgab, zur Vereinigung Italiens und damit zur Veränderung der politischen und gesellschaftlichen Landschaft.

Visconti malt diese Veränderungen hin zu einer bürgerlichen Führungselite keineswegs in idealistischen Farben. Zu sehr sind ihm die Vewirrungen der dann folgenden Jahrzehnte, bis hin zur Wahl von Benito Mussolini im Jahr 1922 bekannt, als das er deren Keim nicht schon in dieser Zeit entdeckte. Als Protagonisten stellt er hier zwei Personen in den Mittelpunkt, die die sich im Jahr 1860 abzeichnenden Entwicklungen deutlich machen.

Burt Lancaster beherrscht als Fürst Salina die Szenerie. Souverän spielt er den mächtigen Adeligen, der über ein hohes Maß an menschlicher Kultur verfügt. Viscontis Blick auf den alternden Fürsten zeugt von Sympathie, auch wenn er die innere Zerrissenheit dessen Charakters verdeutlicht. In dieser Figur verarbeitet Visconti die eigene Biografie, indem er zum Einen die feudalistischen Herrschaftansprüche anprangert, deren Zeit abgelaufen ist, zum Anderen aber auch die sozialen und kulturellen Qualitäten verdeutlicht, die in der traditionellen Rolle des verantwortlichen Führers ebenfalls verankert war. Salina ist ein Mann, der sehr genau empfindet, der weiß mit den unterschiedlichsten Menschen umzugehen und der dabei trotzdem nie den Blick für die Realitäten verliert.

So ist er auch keineswegs begeistert, als er von der Liebe seiner ältesten Tochter zu seinem auch von ihm sehr geliebten Neffen Tankredi (Alain Delon) erfährt. Obwohl ihm die Konstellation einer Ehe zwischen den Beiden ideal erscheinen müßte, ist ihm sofort gewiß, daß seine Tochter nicht den richtigen Charakter für den ehrgeizigen und aufstrebenden Tankredi hat und er unterstützt seine Tochter in ihrem Begehren nicht. Das mag äußerlich hart wirken, aber Salina kann seine Entscheidungen überzeugend begründen und wirkt auch für den Betrachter immer nachvollziehbar.

So sehr Visconti diesen Fähigkeiten ganz offensichtlich nachtrauert, so wenig begeht er den Fehler, diese Eigenschaften etwa einer adeligen Erziehung zuzuschreiben. Im Gegenteil, gerade in der Figur des Tankredi erkennt man den Mißbrauch der hochwertigen Erziehung. Alain Delon spielt hier einen überaus eleganten, sich in jeder gesellschaftlichen Situation zurecht findenden jungen Mann, der gerade diese ihn besonders auszeichnenden Fähigkeiten für seine Karriere mißbraucht. Visconti verdeutlicht einen Verfall innerer Werte, der letztlich zu den Ereignissen im faschistischen Italien führte.

Doch Visconti ist kein Mann direkter Aussagen oder expressiver Geschehnisse, selbst die dargestellten Kämpfe wirken in ihrem Maßstab nicht besonders dramatisch. Alles geschieht bei ihm fast unmerklich und mit langsamen Schritten, kleinen Gesten, eleganten Dialogen und manchmal sogar bei einem kleinen Kartenspiel unter Männern. Deshalb ist die epische Breite des auf drei Stunden angelegten Filmes unbedingt notwendig und keine Minute zu lang. Die deutschen Verleiher kürzten den Film damals erheblich um aus ihrer Sicht unwichtige Szenen. Eine Respeklosigkeit gegenüber dem Regisseur,denn in Viscontis Film gibt es weder Längen noch überflüssige Szenen. Nur das Zusammenspiel der oft sehr genau beobachteten Details kann seine Intention angemessen transportieren.

Der Zwiespalt zwischen dem Festhalten an konservativen Werten und dem Erkennen der Ungleichbehandlung zwischen Menschen, welche zu Veränderungen führen muß, spiegelt nicht nur Viscontis persönliche Situation wieder, sondern bleibt allgemeingültig. Genauso wie der Mißbrauch dieser Werte für die Erlangung eines persönlichen Vorteils.

"Il gattopardo" Italien 1963, Regie: Luchino Visconti, Drehbuch: Luchino Visconti, Suso Cecchi d'Amico, Tomasi Di Lampedusa (Roman), Darsteller : Burt Lancaster, Alain Delon, Claudia Cardinale, Paolo Stoppa, Terence Gill, Giuliano Gemma, Laufzeit : 187 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Luchino Visconti:

Keine Kommentare:

Der Name "L'amore in città" bezieht sich auf einen Episoden Film aus dem Jahr 1953, der erstmals Regisseure in Italien dazu brachte, ihre extra dafür geschriebenen und gedrehten Kurzfilme zu einem Gesamtwerk zu vereinen. Der Episodenfilm steht symbolisch für eine lange, sehr kreative Phase im italienischen Film, die in vielerlei Hinsicht stilbildend für die Kunstform Film wurde. Die intensive Genre-übergreifende Zusammenarbeit unter den Filmschaffenden war eine wesentliche Grundlage dafür.