Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den

Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den
Ein Rückblick in die Entstehungsphase der "Commedia sexy all'italiana"

Sonntag, 19. Juli 2009

L'eclisse (Liebe 1962) 1962 Michelangelo Antonioni

Inhalt : Nach einer gemeinsamen Nacht trennt sich Vittoria (Monica Vitti) plötzlich von ihrem langjährigen Freund Riccardo (Francisco Rabal), der konsterniert zurückbleibt. Scheinbar leicht kann Vittoria ihr Leben genießen, während Riccardo die Trennung nicht verkraftet. Doch schon nach kurzer Zeit gibt sie dem Werben des jungen Börsenmakler Piero (Alain Delon) nach und stürzt sich in eine Affäre mit ihm...

"Mit 20, als ich dich kennen lernte, war ich glücklich" erwidert Vittoria auf Riccardos Flehen, er hätte doch immer versucht, sie glücklich zu machen. Mit diesen Worten verlässt sie ihn und man hat wieder die junge Claudia aus „L’Avventura“ vor Augen, die sich zu Beginn noch hoffnungsfroh in ihre Beziehung stürzte.

Konzeptionell beschreibt Antonioni in seiner Trilogie einerseits eine dynamische Entwickl
ung eines Paares, zum anderen den ewigen Kreislauf von Anfang, Ende und Neuanfang. Auch wenn der Beginn einer Beziehung noch Hoffnung beinhaltet, so steckt in diesem schon der Samen des Scheiterns. Die Trilogie durchläuft damit zwar aufeinander aufbauende Erfahrungen im Leben eines Paares, macht aber gleichzeitig deutlich, dass diese Erfahrungen nicht zu einer Vollendung führen, sondern im Gegenteil die Unmöglichkeit eines vertrauten Zusammenseins vergrößern. „L’Eclisse“ gibt mit der Beschreibung des Endes und des Neuanfangs einer Beziehung, der Trilogie gleichzeitig die Form einer Parabel und eines endgültigen Abschlusses.

Das Gerüst lässt sich insgesamt grob in den Beginn, das Andauern und das Ende einer Beziehung unterteilen und stellt dem Paar im Zentrum des Geschehens jeweils eine dritte Person zur Seite, die einem Katalysator gleich das Geschehen beeinflusst. Gut ist an dieser Konstellation die Kongruenz zwischen dem ersten und dritten Teil zu erkennen und damit die Ähnlichkeit zwischen dem Anfang und dem Ende einer Beziehung, während "La Notte" als Beschreibung einer bestehenden Beziehung inszenatorisch heraus fällt. Monica Vitti spielt in beiden Eckteilen die Rolle der Frau, während sie in „La Notte“ nur den Sidekick gibt – ein von Antonioni gewollter Effekt, der optisch Claudia und Vittoria zu einer Person werden lässt.

Im Aufbau der Story ähneln sich „L’Avventura“ und „L’Eclisse“ ebenso, denn in beiden Filmen kommt der jeweilige Ex-Partner nach einem Drittel des Films nicht mehr vor. Claudias Freundin verschwindet plötzlich unerklärlicherweise, und Vittorias Freund Riccardo (Francisco Rabal) bleibt nach wenigen Versuchen, sie wieder zurück zu gewinnen, einfach weg. Inhaltlich beschreiben also beide Teile streng genommen sowohl den Anfang a
ls auch das Ende einer Beziehung, weshalb gerade die Unterschiede zwischen diesen Filmen interessant sind, die aus der „Liebelei“ eine „Finsternis“ werden lassen.

Zwar findet „L’Eclisse“ nach „La Notte“ wieder zu einer dynamischeren Handlung zurück, allerdings fehlt dieser Dynamik der Schwung des ersten Teils. Gut auch daran zu erkennen, dass das Geschehen, ebenso wie in „La Notte“, ausschließlich in Rom stattfindet, dessen ästhetischen Stil der Moderne „L’Eclisse“ zu Beginn wieder aufnimmt. Nur wird dieser Stil zunehmend aufgelöst und zeigt auch Szenen der Altstadt Roms, in der Börse und zum Schluss in einem Wohngebiet, das schon Zeichen des Verfalls zeigt. Ästhetisch ist „L’Eclisse“ damit genauso eigenständig wie die ersten Teile, indem die dort jeweils konsequent verwendeten Stile hier vermischt werden, und zum Schluss einen eigenen Ansatz bekommen – das langsam vollaufende Fass an der Straßenecke und die Sonnenfinsternis symbolisieren das kommende Ende.

In „L’Eclisse“ nimmt Antonioni zudem - im Unterschied zu „L’Avventura“ - Elemente wieder auf, mit denen er in „La Notte“ unterdrückte Emotionen symbolisierte - plötzliche fremdartige Gefühlsaufwallungen, die von außen an die Protagonistin herangetragen werden. Hier verdeutlicht er damit Vittorias Unfähigkeit, Trauer nach dem Ende ihrer Beziehung zu zeigen und ihre Unfähigkeit dieses zu verarbeiten. Er hält minutenlang die hektischen Vorgänge an der römischen Börse fest, die er - um die Wirkung noch zu steigern - mit einer Schweigeminute für einen verstorbenen Mitarbeiter unterbricht. In einer anderen Szene zeigt er Vittoria, die an einer neugierigen, aufgeregten Menschenansammlung vorbei geht, während ein verunglückter Wagen samt Leiche aus dem Tiber gefischt wird. Beide Ereignisse haben mit Piero (Alain Delon) zu tun, den sie an der Börse kennen lernt, aber sie wirkt fast abwesend, angesichts der überbordenden Emotionen in ihrer unmittelbaren Nähe.



Piero, ein unsteter Börsenmakler, bemüht sich um die schöne Vittoria und sie lässt sich eher reflexartig, und um nicht weiter an ihre frühere Beziehung zu denken, darauf ein. Dieses "Zusammenkommen" unterscheidet sich völlig von dem des Paares aus "L'Avventura", denn sämtliche Emotionen wirken aufgesetzt oder zumindest gewollt. Alle Küsse und Umarmungen haben gleichzeitig etwas abstoßendes, von Antonioni noch dadurch symbolisiert, dass sich ihre Lippen mehrfach beidseitig einer Fenster-Glasscheibe begegnen, sich also nicht wirklich berühren. Ihren gegenseitigen Beteuerungen, eine Beziehung führen zu wollen, hört man an, dass sie sich selbst überzeugen müssen und mit der langsam eintretenden Sonnenfinsternis wird Antonionis Haltung bezüglich der Chancen für diese Beziehung deutlich.

Der sich in „L’Eclisse“ schließende Kreis seiner Trilogie, lässt erst erahnen, mit welcher Komplexität Antonioni die sich nach dem zweiten Weltkrieg wandelnde Gesellschaft erfasst und wie genau er sie beschreibt. Die Idee, immer ein Paar in den Mittelpunkt zu stellen, und deren Entwicklung detailliert zu beobachten, ist schlicht genial, denn in diesem Mikrokosmos lassen sich sämtliche Einflüsse, die durch die äußerlichen Veränderungen auf sie einströmen, beschreiben und damit die Unfähigkeit, diese tatsächlich zu verarbeiten. Dabei spart er keineswegs mit Szenen, die kapitalistisches und rassistisches Denken sezieren, aber dank seiner sehr ästhetischen Bildsprache wirken solche Momente fast nebensächlich und sind gerade deshalb in ihrer Selbstverständlichkeit sehr einprägsam.

Die gesamte Trilogie ist auch heute noch von einer frappierenden Zeitlosigkeit, sowohl in ihrer Optik als auch ihrer Aussage. Die Paarkonstellationen, die Antonioni jeweils wählt, sind weit entfernt von altmodischen Vorstellungen und sowohl hinsichtlich ihrer geschlechtsspezifischen Verhaltensmuster als auch in ihrer Anlage heute genauso vorstellbar, was einerseits eine sehr frühzeitige Erkenntnis des Regisseurs voraussetzt, andererseits noch klarer werden lässt, wie wenig sich seitdem verändert hat.

"L'Eclisse" Italien 1962, Regie: Michelangelo Antonioni, Drehbuch: Michelangelo Antonioni, Tonino Guerra, Darsteller : Monica Vitti, Alain Delon, Francisco Rabal, Lilla Brignone, Louis Seigner, Laufzeit : 118 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Michelangelo Antonioni:

"I vinti" (1952)
"L'avventura" (1960)
"La notte" (1961)

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Der Name "L'amore in città" bezieht sich auf einen Episoden Film aus dem Jahr 1953, der erstmals Regisseure in Italien dazu brachte, ihre extra dafür geschriebenen und gedrehten Kurzfilme zu einem Gesamtwerk zu vereinen. Der Episodenfilm steht symbolisch für eine lange, sehr kreative Phase im italienischen Film, die in vielerlei Hinsicht stilbildend für die Kunstform Film wurde. Die intensive Genre-übergreifende Zusammenarbeit unter den Filmschaffenden war eine wesentliche Grundlage dafür.